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Angekommen in der Ruhe

Mara Ann Thorson ist in den USA aufgewachsen. Jetzt lebt sie in der alten Schule in Commerau, wo sie noch viel vor hat.

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Von Kerstin Fiedler

Wenn Schatzi Besuch bekommt, wird es erst einmal laut. Denn Schatzi ist das kleine weiße Wollknäuel von Mara Ann Thorson. Die Hundedame passt ganz genau auf, wer ins Haus darf. Und Leute, die uniformähnliche Kleidung tragen, mag sie gar nicht, erzählt Mara Thorson. Sie hat Schatzi in den Vereinigten Arabischen Emiraten gerettet. „Sie lebte in keinem guten Haus und hatte wohl eine schwierige Kindheit“, erzählt die 58-Jährige.

Seit fast vier Jahren lebt und arbeitet die gebürtige Amerikanerin jetzt in der alten Schule in Commerau. Nah am Waldrand liebt sie die Ruhe. „Ich bin schon so viel gereist und habe schon so viel gesehen, da ist dieses Haus in diesem Dorf genau das richtige für mich. Ich liebe das Haus“, sagt Mara Thorson. Und sie hat den Eindruck, als ob das Haus sie auch liebt.

Mara Thorson hat deutsche Wurzeln. Ihre Mutter stammt aus Dresden, der Großvater hatte eine bedeutende Fabrik. Zu einer Zeit, als die Überbleibsel der Firmenvillen noch zusammenfielen, hat sie sich heimlich hineingeschlichen und dort Anfang der 90er Jahre alte Tapetenreste und ein Foto mitgenommen. Sie hat die Materialien wie ein Puzzle in einem Bild zusammengesetzt. Heute kann sie darüber lachen, dass die Polizei sie damals befragte. Doch eine schöne Erinnerung hat sie auch: „Ich traf eine alte Frau, die meinen Großvater noch kannte. Und sie erzählte mir von dem Aufzug, den ihr Großvater manchmal für die Kinder genutzt hat und auf dem dann auch Bonbons lagen.

Dass Mara Thorson jetzt in der alten Schule in Commerau lebt, hat sie einem Zufall zu verdanken. Jemand hatte in die Emirate eine Zeitschrift mitgebracht, in der Werbung für Sachsen gemacht wurde. „Ich suchte einen Ruhepol und wollte einen Bungalow kaufen“, sagt Mara Thorson. Nun, das Haus ist ein bisschen größer als ein Bungalow, aber die Hausherrin hat ja auch viel Besuch. So zum Beispiel ihre fünf Geschwister und ihre Familien, die staunten, wie schnell man von hier aus gleich in zwei anderen Ländern ist. In Minnesota aufgewachsen, war das bis Kanada doch etwas weiter. Auch Neffen und Nichten waren schon zu Besuch hier. Viele von ihnen sind weltweit als Musiker unterwegs. Auch ihre eigene Familie ist weit verstreut. Ihr älterer Sohn ist 36 Jahre und lebt in Japan. Sein Schwiegervater ist dreifacher Karate-Weltmeister. „Ich könnte mir vorstellen, dass er hier bei uns gern mal Kurse geben würde“, sagt Mara Thorson. Der Mann ist viel unterwegs, aber weil er weder englisch noch deutsch kann, nimmt er immer einen Übersetzer mit. In Japan erwartet die sympathische Frau im Herbst ihr zweites Enkelkind. Der zweite Sohn ist 31 und lebt in Arizona. Auch er hat zwei Kinder. „Wir unterhalten uns viel über Skype im Internet“, sagt Mara Thorson.

Bevor Mara Thorson nach Commerau kam, hat sie elf Jahre in den Vereinigten Arabischen Emiraten an einer Universität unterrichtet. Auch heute ist sie wieder Lehrerin. Allerdings gibt sie Fernunterricht in englischer Sprache für eine Firma in Köln. Ihre Schüler sind meist Geschäftsleute oder Manager. Sie kommen aus Deutschland, Frankreich, Weißrussland, Spanien oder der Schweiz. „Der Unterschied zum Unterricht in den Emiraten ist, dass ich hier manchmal 30 bis 40 Stunden pro Woche unterrichte. Dort waren es viel weniger Stunden“, sagt Mara Thorson, die sehr gut deutsch spricht, obwohl sie die Sprache als Kind nicht gelernt hat.

Für die Frau mit den langen, welligen Haaren ist die alte Schule in Commerau Rückzugsort. Sie wünscht sich, hier ein kulturelles Zentrum zu schaffen. Gleich der erste ehemalige Klassenraum zeigt einige ihrer Kunstwerke. Sie zaubert Bilder aus Stoffresten. Fabrication nennt sie das, was da entsteht. Ein Wortspiel, denn fabric bedeutet Stoff, Textil, und fabrication ist die Herstellung. Derzeit arbeitet sie an einem Tryptichon, das sie ihrer Mutter widmet. „Ich würde mich freuen, wenn kreative Interessenten sich bei mir melden, um gemeinsam etwas zu schaffen“, sagt Mara Ann Thorson, die sich auch den Tarot-Karten und der Astrologie widmet.

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