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Angeregte Gespräche in aller Stille

Kennen Sie die Gebärdensprache? Gemeint sind nicht die Gesten, die mancher beim Autofahren nutzt, sondern die Art und Weise, wie sich schwerhörige oder gar gehörlose Menschen untereinander und in der Öffentlichkeit verständigen.

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Von Gunter Fichte

Kennen Sie die Gebärdensprache? Gemeint sind nicht die Gesten, die mancher beim Autofahren nutzt, sondern die Art und Weise, wie sich schwerhörige oder gar gehörlose Menschen untereinander und in der Öffentlichkeit verständigen.

Am Pfingstwochenende konnten aufmerksame Einwohner und Gäste im Seminar- und Sporthotel „Zum Erbgericht“ in Höckendorf Menschen entdecken, die nur selten ihre Stimme im Gespräch einsetzen. Der Landesverband der Gehörlosen Sachsen hatte zu einem Seminar mit körperlicher Ertüchtigung - beim Lernen und Wandern mit dem Rad - eingeladen. Das von der Europäischen Staatsbürger-Akademie Sachsen, Sitz Höckendorf, organisierte Seminar war auch im Internet unter www.esta-sachsen.de ausgeschrieben und offen für alle interessierten Bürger. Gekommen waren Teilnehmer aus ganz Sachsen und Brandenburg. Das Seminar diente dem Ziel, das kommunikative Training Gehörloser im Umgang mit der Öffentlichkeit zu stärken und die Aufmerksamkeit der anderen Bürger für die Integration jener Menschen entwickeln zu helfen.

Im Seminarraum wurde vom Landesvorsitzenden Jörn Domke über die Rechtslage und die Tendenzen bei der Anerkennung der Gebärdensprache informiert. Der Bildungsanspruch der Veranstaltung sollte jedoch auch im anschaulichen Erarbeiten von Wissen über eine geschichtsträchtige Region zwischen Besiedelung, traditioneller Lebensweise, Bergbau, Hochwasserschutz und umweltgerechter Nutzung der Natur liegen. Rainer Klee, ein interessierter Bürger aus Höckendorf, war beeindruckt von der gegenseitigen Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft unter den Gehörlosen, die man im normalen Umgang miteinander oft vermisst.

Wildes Hupen und Stinkefinger, die „Gebärdensprache“ der Normalverbraucher, zeigten bei der gemeinsamen Radtour durch die Region, wie wenig doch das Bewusstsein der Öffentlichkeit für derartig gehandicapte Mitmenschen geschärft ist. Woher soll der eilige Feiertags-Autofahrer aber auch wissen, dass der angehupte Radfahrer ihn gar nicht gehört hat?

„Gehörlose Menschen haben meist ein ziemlich dickes Fell“, gab Sindy Ulbricht, Studentin für Gebärdesprache im 7. Semester, zu verstehen. Sie war auch das perfekte Bindeglied als Sprachmittler für Gebärdensprache bei den Gesprächen zwischen den Gruppen. „Leider scheuen sich noch viele Gehörlose, diese Dienste bei Arztbesuch oder Behördengängen anzufordern“, fügte sie an. Natürlich komme man mit Stift und Zettel, Computer oder SMS auch weiter und vieles sei für Gehörlose in den letzten Jahren leichter geworden. Aber wenn es um wichtige Diskussionen gehe oder um juristische Vorgänge, sollte der Dolmetscher für Gebärdensprache dabei sein.

Torsten Böttcher, Verantwortlicher für Jugendarbeit beim Gehörlosenverband Sachsen, war mit dem Seminar zufrieden, wie er zum Abschluss – ohne Dolmetscher – zu verstehen gab.

Ein Dank auch an den Zweiradservice Gey aus Ruppendorf, wo die Teilnehmer unkompliziert die Fahrräder zur Bildungstour ausleihen konnten.