Von Antje Steglich
Es ist ein mulmiges Gefühl. Jaqueline und Dirk Haase haben es jeden Tag, wenn sie oder ihre beiden Kinder ihr Haus in Glaubitz verlassen. Seit wenigen Jahren wohnen sie in dem 2.000-Seelen-Dorf – nahe der Bahnlinie Riesa-Dresden. Auch an diesem Sonnabend müssen sie über die Gleise am Bahnübergang Langenberger Straße. Sie kommen gerade von einem Kindergeburtstag. Dann Schrecksekunden. Ein dunkelblauer VW-Kombi fährt über die Schienen, während sich aus Richtung Riesa bereits ein Intercity nähert. Denn die Schranken bleiben offen. Auch als der Zug nach einem Notstopp langsam wieder Fahrt aufnimmt – und an Familie Haase vorbeizieht.
Doch es ist nicht der erste Vorfall dieser Art. Seit Monaten geht das so. Immer mal wieder. „Es gab auch schon Züge, die zwar gehupt haben, aber einfach weitergefahren sind, ohne anzuhalten“, sagt Jaqueline Haase. Sie hat Angst, ihre Kinder allein losziehen zu lassen.
Ganz ähnlich geht es einer anderen jungen Mutter aus Glaubitz. Auch sie hält die Situation für untragbar. Sowohl am vergangenen Donnerstagnachmittag als auch am Samstagabend hat sie mit ihrem Fotoapparat festgehalten, dass die Schranken an dem Bahnübergang nicht geschlossen haben. „Dabei ist das hier auch für viele der Weg zum Kindergarten. Muss denn erst was passieren?“ Sie ist froh, dass zumindest noch die Alarmierung an die Lokführer zu funktionieren scheint, denn die Züge hätten in beiden Fällen angehalten. Vertrauen hat sie in die Anlage allerdings längst nicht mehr. Sie hofft auf neue Technik.
Die allerdings lässt auf sich warten. „Im Rahmen des Streckenausbaus der Strecke Leipzig-Dresden ist mittelfristig eine gesamte Erneuerung des Bahnüberganges geplant“, heißt es von der Pressestelle der Deutschen Bahn. Den Vorfall am Donnerstag bestätigt das Unternehmen auf Nachfrage. „Ursache dieser Störung war ein defekter Schrankenantrieb“, so die Erklärung. Warum die Schranke schon mehrfach nicht schloss, dazu gibt es allerdings keine Antwort. Die Bahn betont aber, dass der Sicherung der Bahnübergänge oberste Priorität zukomme, weshalb die DB Netz AG zur umgehenden Störungsbeseitigung ein 24-stündiges Bereitschaftssystem von hoch qualifizierten Technikern vorhalte. Allerdings handele es sich bei technisch gesicherten Bahnübergängen „um komplexe technische Anlagen“, die im Notfall vor Ort auch nicht mal eben durch das Stellwerks-personal in Glaubitz zu bedienen seien.
Bürgermeister Lutz Thiemig (parteilos) will sich mit dieser Erklärung nicht zufriedengeben. „Wenn die Anlage häufig nicht funktioniert, muss sie repariert oder ganz erneuert werden“, fordert er die Deutsche Bahn auf. Er denke da nicht nur an die Kinder, sondern an alle Einwohner seiner Gemeinde, für die der Bahnübergang zur Gefahr werden könnte. Zumal auf der Langenberger Straße momentan mehr Verkehr als üblich fließt, weil am Milchweg gebaut wird. Lutz Thiemig will sich nun schriftlich an das Unternehmen wenden und um eine Lösung bitten.
Schon Mitte Januar dieses Jahres hatte es einen ganz ähnlichen Vorfall am wenige Hundert Meter entfernten Bahnübergang auf der Bahnhofstraße gegeben. Eine SZ-Leserin konnte gerade noch rechtzeitig vor den Schienen halten, während ein Güterzug bei offenen Schranken an ihr vorüberfuhr. Damals konnte die Bahn übrigens keinen Fehler entdecken. Nichtsdestotrotz mahnt der ADAC jeden Autofahrer, vor dem Bahnübergang in beide Richtungen zu schauen und erst dann zu fahren.