Von Stefanie Wahl
Die „Gemäldegalerie Neue Meister“ bietet den zentralen Kunstausstellungen der DDR einen würdigen Rahmen. Dem Ansturm der Zuschauer ist sie kaum gewachsen: Scharen kommen organisiert und verordnet als Brigadeausflug nach Dresden, viele andere besuchen das Albertinum individuell und aus Interesse. Die fehlende öffentliche Diskussion der DDR bewirkt außerdem, dass sich die Besucher – auf der ständigen Suche nach einer gesellschaftlichen Positionsbestimmung – die Frage stellen: Welche Kunstwerke und welche Themen haben es diesmal in die offizielle „Leistungsschau“ geschafft?
Der Weg in die Dresdner Kunstausstellungen ist ein langer. Jahre zuvor beginnen der Verband Bildender Künstler (VBK), das Ministerium für Kultur und die jedes Mal neu zusammengesetzte Jury, parallel an konzeptionellen Entwürfen zu arbeiten. Das gemeinsame Konzept muss dann die Kulturabteilung des Zentralkomitees der SED und das Politbüro passieren. Die Einflussnahme der Politik ist an verschiedenen Stellen dieses Systems möglich und wird auch genutzt. Der Kulturminister Hans-Joachim Hoffmann beordert per Anruf den Leipziger Maler Sighard Gille kurz vor Eröffnung der 1982 stattfindenden IX. Kunstausstellung nach Dresden. Dieser erinnert sich neunzehn Jahre später so daran: „Er sagte, ich müsse sofort nach Dresden kommen. Und da saßen sie alle, der Hoffmann und der (VBK-Präsident Willi) Sitte und die Ragwitz (Ursula Ragwitz, Leiterin der Abteilung Kultur des Zentralkomitees der SED). Und die sagte gleich: ,Das (Bild-Plastik-Objekt) ‚Gesellschaft mit Wächter’ können wir doch unter Ulk verbuchen. Die Figur, die können wir doch herausnehmen.’ (…) Dann fing sie an: ‚Das sieht ja aus wie ein SS-Mann.’ Ich sagte, das muss ja auch einschüchternd sein. Das ist ja ein Wächter. (…) Aber, so haben sie gesagt, das Objekt sei ein Affront gegen unsere Volksarmee und gegen die Staatssicherheit und ich musste das Ganze herausnehmen.“
Obwohl so rigorose Zensurfälle relativ selten vorkommen, zeigen sie doch, welch hohen Stellenwert die SED-Kulturfunktionäre den Kunstausstellungen beimessen und wie aufmerksam sie die Auswahl begutachten. Im Wirkungsraum der Ausstellungen kann sich aber ein in den Medien und der politischen Öffentlichkeit vollkommen fehlender Ersatzdiskurs etablieren.
Insgesamt finden in der DDR zwischen 1946 und 1988 zehn Kunstausstellungen in Dresden statt. Vom „Bitterfelder Weg“ motiviert, gehört bis zur siebenten im Jahr 1972 auch immer eine Auswahl der „Werke des künstlerischen Volksschaffens“ dazu. Durchweg ist das Interesse groß, die Besucherzahlen sind fulminant: Mit mehr als einer Million Besucher avanciert die „Achte“ sogar zu einem massenwirksamen Kunstereignis.
Die Entwürfe für die für 1992 geplante XI. Kunstausstellung kommen über die ersten Konzeptionsstufen nicht mehr hinaus.
Spurensuche Ost Dresden, bis 30. Oktober in der Innenstadt.
Der erste Teil über die Sophienkirche erschien am 28.7., der zweite über den Pirnaischen Platz am 5.8.; Teil drei am 12.8. befasste sich mit dem Hauptbahnhof.
www.erinnerungslabor.de