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Ansturm auf Flutgeld-Stellen bleibt aus

Die Soforthilfe soll unbürokratisch erfolgen. Doch die Kommunen wollen sich auch vor Trittbrettfahrern schützen.

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Von Ulrike Keller

Damit hat das Ehepaar Faust nicht gerechnet: keine Schlange, kein Anstehen. Sofort sind die Rentner im Meißner Bürgerbüro an der Reihe. Die Soforthilfe-Auszahlung des Freistaates treibt sie her, obwohl es Sonnabendnachmittag und zurzeit ein weiter Fußmarsch für sie ist. Doch noch haben sie Zeit. Noch können sie ihre überschwemmte Wohnung nicht betreten und müssen in einer angemieteten Ferienwohnung ausharren. Die allerdings kostet. Weshalb sie das Geld gut gebrauchen können.

Grundwasser-Fälle ausgenommen

Die Anträge bilden ein Häufchen auf dem Info-Tresen. Flugs haben Fausts die eine Seite ausgefüllt und – samt Personalausweis – dem Mitarbeiter der Stadtverwaltung hinüber gereicht. Zwei Angaben machen das Paar zu einem glasklaren Fall: der sehr elbnahe „Teichertring“ und die „Erdgeschosswohnung“. Denn berechtigt ist nur, wer Flusswasser im Wohnraum hat(te). Keinen Anspruch hat hingegen, wem der Keller mit Grund- oder Klärwasser vollgelaufen und wem die Wohnung wegen Wassers im Hausflur nicht zugänglich ist. Der Mitarbeiter gibt Fausts das Okay, sich bei der Kasse zur Auszahlung zu melden. „Die ganze Art ist sehr wohltuend“, sagt Annelies Faust. „Man kommt sich nicht vor, als würde man betteln.“

Seit Freitag nehmen die vier großen Kommunen im Landkreis von Flutopfern Anträge auf finanzielle Soforthilfe entgegen. Meißen und Riesa haben ihre Bürgerbüros eigens dafür auch am Sonnabend geöffnet. Bis 25. Juni können pro Erwachsenen 400 Euro, pro Kind 250 Euro und pro Familie maximal 2 000 Euro in Anspruch genommen werden. In Meißen haben bereits rund 60 Privatleute die Unterstützung erhalten. Einige Anträge sind Stadtsprecherin Katharina Reso zufolge noch in der Prüfung. In Radebeul holten am Freitag 16 Personen das Geld ab. In Großenhain wurden laut Stadtsprecherin Diana Schulze bislang „weniger als eine Handvoll“ Anträge abgegeben. In Riesa sind bis dato 44 Betroffene ins Rathaus gekommen. „Die Leute haben jetzt ganz andere Sorgen, als Notmittel abzuholen“, erklärt Kämmerer Christian Geschke die eher verhaltene Resonanz.

Einer der wenigen, die die Chance am Sonnabendvormittag in Riesa nutzen, ist Dieter Rickmann aus Gröba. Nachdem er die vergessene Brille aus dem Auto geholt hat, geht alles ganz schnell: Im Bürgerbüro füllt er den Antrag aus, zeigt seinen Ausweis vor, und schon wird er weiter verwiesen an die Kasse. Die Atmosphäre dort wirkt angespannt: Die von Politikern geforderte unbürokratische Hilfe scheint für manche Mitarbeiter ungewohnt.

Kurz vor knapp eilt noch eine Frau um die 50 in Jeans und Wanderschuhen ins Rathaus. Die Riesaerin ist auf dem Weg zum Einkaufen und hat versuchsweise kurz gehalten. „Hätte ich anstehen müssen, wäre ich wieder gefahren“, sagt sie. Ihr Keller steht vollständig unter Wasser, das Wohnzimmer einen Meter hoch. Tiefkühlschrank, Waschmaschine und Heizung sind definitiv dahin. „Das Geld ist eine gute Hilfe für Leute, die sich sofort etwas ersetzen müssen“, so ihre Einschätzung. „Für Wohngebäudeschäden ist es keine Hilfe!“ Gerade diese stellen ihr Hauptproblem dar.

Unterschiedlich handhaben die Kommunen die Prüfung der Anträge. Radebeul, Meißen und Riesa kontrollieren die Angaben im Bürgerbüro und entscheiden in den meisten Fällen sofort über die Auszahlung. In Radebeul sind nach Angaben der Stadtsprecherin Ute Leder ab heute auch Mitarbeiter der Bauordnung unterwegs, um Schäden anzusehen. Anders in Großenhain: Da werden grundsätzlich vor der Auszahlung die Fakten vor Ort überprüft und zu jedem Antrag Schadensfotos gemacht. Dennoch, so versichert Stadtsprecherin Diana Schulze, soll die Bearbeitungszeit drei Tage nicht überschreiten. Angesichts der eng gefassten Kriterien rechnet sie mit nur zehn bis 20 Betroffenen. Einen Teil des Soforthilfe-Fonds habe die Stadt deshalb schon an das Landratsamt zurück überwiesen. Lieber sollen schlimmer betroffene Orte das Geld bekommen, sagt sie.

In Großenhain können Anträge während der Sprechzeiten abgegeben werden. Radebeul öffnet heute extra bis 16 Uhr. In Riesa lassen es sich die Verantwortlichen offen, je nach Andrang zu entscheiden. Meißen besetzt das Bürgerbüro bis einschließlich Freitag von 9 bis 18 Uhr.