Anwohner protestieren gegen Edeka-Pläne in Riesa

Riesa. Neue Nachbarn? Gerne. Aber auf zwei Einkaufsmärkte direkt vor dem Schlafzimmerfenster würde Margit Buck gern verzichten. Werden die kürzlich bekanntgewordenen Bebauungspläne für die Brache auf dem Widmann-Areal verwirklicht, würden die Lieferzonen für Edeka und Aldi unmittelbar vor dem Wohnblock am Lutherpark entstehen. "Bekanntlich werden Supermärkte stets nachts oder in den frühen Morgenstunden, also zwischen zwei und vier Uhr beliefert", schreibt die Anwohnerin in einem offenen Brief an den Riesaer Oberbürgermeister.
Ihre Befürchtung: Ständiger nächtlicher Lkw-Verkehr, klappernde Rollpaletten aus Stahl, auf- und zuschlagende Türen. "Der nächtliche Lärm hätte erhebliche Auswirkungen auf die Schlafqualität und damit auf die Gesundheit der Anwohner, da deren Schlaf- und Kinderzimmer auf der bisher ruhigeren Seite der Wohnbebauung liegen", schreibt die Rentnerin. "An Schlaf bei offenem Fenster wäre dann jedenfalls nicht mehr zu denken."
Bisher schauen Margit Buck und ihre Nachbarn - insgesamt 44 Wohnungen gibt es in dem Riegel zwischen Lutherplatz und Widmann-Gelände - auf ihren Wäscheplatz im Hof und die daneben liegenden Gärten hinunter. Noch wird das zum Haus gehörende Grundstück von einer halbhohen Mauer vom Widmann-Areal abgetrennt. Diese Wand war beim Abriss der früheren Werkstattgebäude stehen geblieben. "Kommt der Edeka, soll sie verschwinden und durch eine Hecke ersetzt werden", sagt Margit Buck.
Dann hätten die Anwohner den nächtlichen Anlieferverkehr für beide Märkte direkt vor der Nase. Und nicht nur den: Tagsüber würden die Fahrzeuge der Kunden über den Parkplatz rollen, obwohl bislang gleich nebenan die Kinder der Anwohner spielen. Zumal geplant sei, das bislang verschlossene Tor an der Lutherplatz-Ecke Richtung Grundschule für den Lkw- und Pkw-Verkehr zu öffnen. "Trotz aller Ermahnungen laufen auch immer wieder Kinder von der Schule hier durch, um zur Bushaltestelle am Lutherplatz zu kommen", sagt Margit Buck. Wie soll das erst werden, wenn die Kinder quer über einen Supermarkt-Parkplatz laufen?
Von den Plänen, auf dem Widmann-Areal einen Edeka, einen Aldi und mehrere Dienstleister anzusiedeln, hat die Riesaerin aus der Zeitung erfahren. Das Thema hatte auf der Tagesordnung des Stadtrats gestanden, der entscheiden sollte, ob ein Vorhaben- und Erschließungsplan "Einzelhandel Pausitzer Straße" aufgestellt werden soll. Ohne den dürfte auf dem bislang noch als Wohnbaufläche ausgewiesenen Areal kein Einkaufszentrum gebaut werden.
"Warum sagt der OB laut SZ den Investoren Unterstützung zu, aber informiert nicht zuvor uns Anwohner?", fragt Margit Buck. Eine Versammlung für die von dem Projekt direkt Betroffenen wäre doch angemessen gewesen. Zumal die meisten Leute in Eigentumswohnungen wohnen und nicht - wie Mieter - einfach wegziehen könnten. "Manche zahlen ihre Wohnung noch ab. Und mit einer Lieferzone vor dem Schlafzimmerfenster sinkt der Wert der Immobilie."
Stadt gibt dem Investor die Verantwortung
Im Rathaus verweist man darauf, dass das Verfahren noch ganz am Anfang stehe. In der Vorlage, die der OB kurzfristig doch noch von der Tagesordnung des Stadtrats genommen hatte, geht es um den Antrag zur Einleitung eines Verfahrens zum Vorhaben- und Erschließungsplan. "Nur wenn der Stadtrat dem Antrag zustimmt, kann der Vorhabenträger überhaupt erst mit der Planung beginnen", sagt Stadtsprecher Uwe Päsler.
Erst innerhalb dieser Planung müsse der Investor der Stadt dann die entsprechenden Prüfungen und Gutachten zur Umweltverträglichkeit sowie zu Lärm und Verkehrsprognosen nachweisen. Der Planentwurf wird anschließend öffentlich ausgelegt - und dann könnten auch die Anwohner Hinweise und Widersprüche einreichen. "Aber so weit ist das Verfahren aktuell noch gar nicht", sagt Päsler.
Die Vorschriften für die zulässigen Lärmwerte würden sich durch eine Umwidmung aber nicht ändern, sondern sie würden sich an der umliegenden Bebauung orientieren - es würden also die Werte für Wohngebiete gelten.
Anwohnerin Margit Buck meint dagegen, dass das ganze Areal besser für Wohnbebauung geeignet wäre, als für zusätzliche Handelsflächen. Dort wäre Platz für Häuser mit viel Grün, die neuen Nachbarn hätten kurze Wege zur Innenstadt, Einkaufsmöglichkeiten, Ärzten, Schulen, Sportstätten, Bushaltestellen. "Die neu einziehenden Bürger würden mit Sicherheit auch spürbar Kaufkraft in die Innenstadt bringen", schreibt sie im offenen Brief an den OB. Bereits jetzt habe man fünf Einkaufsmärkte im Nahbereich. Neue Einkaufsmöglichkeiten brauche eher Altriesa, wo gerade das neue Wohngebiet Alte Brauerei entsteht. Dafür solle sich die Stadt stark machen.
Wie es tatsächlich mit dem in Privatbesitz befindlichen Widmann-Areal weitergeht, entscheidet sich voraussichtlich bei der Sitzungsrunde im März: Dann soll das Thema erneut auf die Tagesordnung für die Stadträte kommen.