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Arbeiten lernen im Milchladen

Tharandt. Ein Verein zeigt Problemjugend den Weg aus der Sackgasse.

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Von Jörg Stock

Wenn sich Maria Winkelgrund mit dem Vereins-Kürzel am Telefon meldet, kann das am anderen Ende Verwirrung stiften: „Hä? FDJ?“ Dabei hat der „Verein zur Förderung benachteiligter Jugendlicher“, kurz FbJ genannt, gar nichts zu tun mit sozialistischen Blauhemden. „Wir müssen unseren Namen eben immer aussprechen“, sagt Frau Winkelgrund mit einem Lacher.

Eigentlich sollte es nicht mehr zu Missdeutungen kommen, denn der FbJ e.V. hat schon zehnten Geburtstag. Sein Hauptquartier ist der Alte Milchladen an Tharandts Roßmäßlerstraße, seine Hauptbeschäftigung die Bewahrung gestrauchelter Jugend vor dem Absturz.

Ins Stolpern ist auch Stanley geraten. Der heute neunzehnjährige Freitaler schmiss nach der Schule die Lehre. Wieso? Er weiß es nicht so recht, schüttelt verlegen den Kopf unterm blauen Basecap. Er weiß nur, dass es beim FbJ besser läuft. „Kein Problem“, sagt er grienend und schon ist er wieder am Werkstück, einem klobigen Robinienstamm, von dem er die Rinde schleift, auf dass er einmal Teil eines Abenteuerspielplatzes werde.

Rainer Müller ist heute Stanleys Chef. Der Designer produziert seit langem Holzspielgeräte in Tharandt. Und seit langem ist er Partnerunternehmer vom FbJ, mit guten Erfahrungen. Sogar einen Lehrling hat Müller schon unter den FbJlern gefunden. „Wie’s aussieht, übernehme ich bald noch einen.“

Der FbJ gründete sich im Herbst 1997 im Umfeld der Tharandter Kuppelhalle. Damals, sagt FbJ-Chefin Hella Müller, wurde das Vereinshaus zunehmend Treff von Jugendlichen, die auf dem besten Weg ins Abseits waren: Schule abgebrochen, Lehre geschmissen, langzeitarbeitslos, mit Drogen im Bunde. „Die Kuha konnte das mit ihrer Sozialarbeit nicht schaffen“, erinnert sich Hella Müller. „Da kam uns die Idee, den Verein zu gründen.“

Ziel der Truppe ist es, ihre Schützlinge fit für ein geregeltes Arbeitsleben zu machen. Die Jugendlichen, ein gutes Dutzend, zugewiesen von der Arge, treffen sich allmorgendlich im Milchladen. Sie werden auf die Partnerfirmen aufgeteilt und an den Arbeitsplatz gefahren. Dort erledigen sie, was der jeweilige Chef ihnen aufträgt.

Dass die Jugendlichen damit im ersten Arbeitsmarkt aktiv sind, ist für Spielplatzproduzent Rainer Müller der größte Vorteil. „Hier werden keine Mauern gebaut, die später wieder eingerissen werden“, sagt er. „Die Leute wissen, dass sie etwas Sinnvolles tun.“

Plötzlich Minister als Patron

Freilich müssen solche Einsichten bei den Projektteilnehmern oft erst reifen. Maria Winkelgrund, die auch mal jemanden aus dem Bett pelzt, wenn er beim morgendlichen Milchladentreff nicht aufkreuzt, nimmt ihre Jugendlichen in Schutz. Faul sind sie nicht, sagt sie, haben oft nur nicht gelernt zu arbeiten. „Viele arbeiten aber richtig gerne.“

In zehn Jahren betreuten die FbJ-Macher genau hundert Klienten. Und so soll es weitergehen. Leider, sagt Hella Müller, werden die bürokratischen Hürden immer höher. Fünfzig Prozent der Arbeitszeit gehe dafür drauf, mit allerlei Antragspapier das Fördergeld aufzutreiben. Vielleicht kann der langjährige Schirmherr des Vereins für eine lichte Zukunft sorgen. Schließlich ist Roland Wöller jetzt Minister.