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Arbeitstag hat schon mal 30 Stunden

Herausforderung. Das Bauchzentrum im Krankenhaus Freital hat einen neuen Oberarzt.

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Von Anne Kukuczka

Ruhig geht es in der Mittagszeit auf den gelben Gängen im zweiten Stock des Freitaler Krankenhauses zu. Keine Patienten laufen herum, ab und zu huscht eine Krankenschwester, bewaffnet mit Blutdruckmessgerät oder Verbandsmaterial, in eines der Zimmer. Nur kurz kann der neue Oberarzt, Dr. Michael Kindler, um diese Zeit im Bauchzentrum vorbeischauen. Das heutige OP-Programm wird ihn und sein Team bis 2 Uhr nachts auf Trab halten. Zehn Patienten werden sie so versorgen.

Mit Geschichten von großen und kleinen Schicksalen aus dem Krankenhaus wuchs Michael Kindler schon früh auf, denn sein Vater ist ebenfalls Chirurg. So entschied sich auch der Sohn nach dem Abitur zum Medizinstudium in Berlin. Schnell war die Fachrichtung klar: „Die Chirurgie ist die Krone der Medizin. Ich wollte was Handwerkliches machen.“ Nachdem er zehn Jahre im Krankenhaus Dresden-Neustadt gearbeitet hatte, war Zeit für eine neue Herausforderung. Der geborene Görlitzer eröffnete eine eigene Praxis in Berlin.

Der Wink eines Kollegen

Doch schon bald fehlte dem Chirurg das Operieren und die Arbeit im Team. Der Wink eines alten Kollegen auf einer Weihnachtsfeier vor sechs Jahren blieb nicht ohne Folgen. Der erzählte ihm, dass in Freital noch Leute gesucht werden und meinte: „Komm doch zu uns.“

So verschlug es ihn 2001 ins Freitaler Krankenhaus. Als Stationsarzt arbeitete er sich schnell ein – und schließlich hoch. Kürzlich bekam er eine größere Verantwortung übertragen: Michael Kindler ist neuer Oberarzt im so genannten Bauchzentrum. Bereits als Stationsarzt führte er eine Operationsmethode ein. „Bisher hieß es bei entzündlichen Darmerkrankungen: Bauch auf. Jetzt können die Patienten schon nach zwei Tagen wieder in der Cafeteria sitzen“, erklärt der Mediziner den Vorteil der laparoskopischen Chirurgie. Dabei werden nur winzige Schnitte gemacht und so die Spezialinstrumente in den Bauch eingeführt. Gelernt hat erdie Methode bei Klinikhospitationen in Hamburg und Hannover.

Auch Examensstress kennt der 41-Jährige immer noch gut. Seine Prüfung im Spezialbereich Visceral(Bauch-)chirurgie ist noch für dieses Jahr angemeldet. „Es gibt heute einen Trend zur Spezialisierung“, so wird lebenslanges Lernen zur Pflicht für Mediziner.

Viel Freizeit bleibt dem dreifachen Familienvater nicht. Über das Krankenhaus sagt er: „Es ist mein zweiter Wohnsitz. Hier verbringe ich mehr Zeit als zu Hause“. Bis zu 30 Stunden am Stück dauert eine Schicht. Durchhalten sei reine Motivationssache: „Wenn man sich darauf einstellt, macht es richtig Spaß.“ Ein paar Tricks sind da natürlich mit ihm Spiel. Vor einer fünfstündigen OP wird schon mal eine Tafel Schokolade verdrückt. Ansonsten ist Michael Kindler sportlich unterwegs. Jeden Tag tritt er in die Pedale, kommt mit dem Rad zur Arbeit. Eine Stunde brauchter für die 20 Kilometer lange Strecke von Radebeul, wo er gemeinsam mit seiner Frau und den drei Töchtern lebt, bis nach Freital.

Krebszentrum gegründet

Im vergangenen Jahr haben Michael Kindler und andere Krankenhausärzte gemeinsam mit niedergelassenen Medizinern das Krebszentrum Weißeritzkreis gegründet. Immer Donnerstags treffen sich die Experten und tauschen sich über Behandlungsdetails der Patienten aus. Kindler ist sicher, dass mit dem Krebszentrum die Qualität der Behandlung verbessert wird, denn so ist eine „schnellere und abgestimmtere Zusammenarbeit möglich.“ Ab Herbst organisiert das Krebszentrum auch Vorträge und Seminare für die Bevölkerung, denn „das Thema Krebs darf nicht in Vergessenheit geraten“.

Seit September ist er nun neuer Oberarzt für Bauchchirurgie. Neben dem Bauchzentrum gehören jetzt auch verstärkt Intensivstation und Rettungsstelle zu seinem Einsatzgebiet. Damit wachsen Stress und Verantwortung. Und nebenbei will auch „für das gute Klima zwischen den Kollegen gesorgt sein“, wie er ergänzt. Um die Kollegen bei der Vorbereitung nicht warten zu lassen, verschwindet er schon wieder im Operationssaal. Denn im Alltag der Chirurgen ist nach der OP vor der OP.