Von Mareike Huisinga
Ein Totenschädel mit dunklen Augenhöhlen liegt im Graben. Unweit davon ragen weiße Knochen aus dem Erdreich. Auch die Umrisse eines Sarges sind deutlich zu erkennen. Etwas makaber stellt sich momentan die südliche Mauer der Kirche St. Marien in Dohna dar. Akribisch werden sämtliche Funde von Archäologen mit einer Spezialkamera festgehalten und dokumentiert.
Bei den Ausgrabungen an der Kirche handelt es sich um sogenannte „Rettungsgrabungen“ im Vorfeld einer Baumaßnahme. „Denn die Umfassungsmauer soll komplett saniert werden. Es ist jedoch ein archäologisch bedeutsames Gelände, weshalb wir das Erdreich vorher untersuchen“, erklärt Christoph Heiermann vom Landesamt für Archäologie aus Dresden.
Wer jetzt an die atemberaubenden Abenteuer von Indiana Jones denkt, irrt kräftig. Untersuchen heißt: Entnahme der Funde, deren Dokumentation, zeichnen und einmessen. Dafür sind Präzision und Sorgfalt notwendig.
Totenkronen für Jungfrauen
Hauptsächlich haben die Experten bisher Bestattungen, das heißt Skelette und Knochen, aus der Neuzeit gefunden, also 17. bis 19. Jahrhundert. „Was bei dem Umfeld unmittelbar in Nähe der Dohnaer Kirche auch nicht weiter erstaunt“, sagt Ausgrabungsleiter Christof Schubert. Typisch für diese Zeit waren Bestattungen in Holzsärgen, die ebenfalls freigelegt worden sind. Weiterhin haben die Archäologen fünf sogenannte Totenkronen gefunden, die im 17. und 18. Jahrhundert vermutlich unverheirateten Jungfrauen mitgegeben wurden. „Sie sind sehr filigran gearbeitet mit Blümchen aus Draht“, erzählt Heiermann. Bei einem Toten wurden sogar Metallverschlüsse entdeckt, die zu seiner Jacke gehörten.
Aber die Funde reichen noch weiter in die Vergangenheit. Ein Skelett aus dem Mittelalter wurde ebenfalls bei den Ausgrabungen gefunden. „Die Angehörigen haben ihn nicht im Sarg bestattet, das war damals nicht üblich. Meistens wurden die Toten in Leichentücher gehüllt“, so Schubert. Auch Keramik-Reste, sogar aus der Vorzeit, also rund 1000 Jahre vor Christi, haben die Archäologen ausgegraben. „Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Siedlungsfunde, sondern lediglich um Streufunde“, erklärt der Ausgrabungsleiter.
Sämtliche Funde werden dem Landesamt für Archäologie in Dresden zur Verfügung gestellt. Die Gebeine werden für anthropologische Untersuchungen bereit gehalten. „Ziel ist, Geschlecht und Alter zu bestimmen sowie Krankheitszustände zu erforschen, die sich an den Knochen zeigen. Die Toten sind zwar namenlos und stumm. Aber wir können sie zum Sprechen bringen und so Aufschluss darüber erhalten, wie unsere Vorfahren gelebt haben“, fasst Christoph Heiermann zusammen.
Nach der Untersuchung werden die Gebeine wieder auf dem Friedhof an der Kirche rückbestattet, betont Pfarrerin Ramona Uhlemann. Die gesamten Ausgrabungen dauern noch bis Ende April an.
Kirche wird barrierefrei
Im Anschluss daran soll die Umfassungsmauer der Dohnaer Kirche grundhaft saniert werden. Uhlemann rechnet mit ungefähr 150000Euro Kosten.
Zusätzlich wird eine Auffahrt für Rollstuhlfahrer zur Kirche gebaut. Dafür gibt es gleich mehrere gute Gründe. Der wichtigste: „Die Bewohner des Johanniter-Stifts in Dohna fühlen sich unserer Kirchgemeinde sehr verbunden und möchten gerne künftig unseren Gottesdienst besuchen“, erläutert die Pfarrerin.
Es gibt bereits einen barrierefreien Gemeindesaal der Kirchgemeinde sowie behindertengerechte Toiletten. „Jetzt fehlt uns nur noch die Kirche“, so Uhlemann. Die Maßnahme kostet reichlich 22000Euro. Unterstützung kommt vom Johanniterorden. Noch in diesem Jahr sollen beide Bauprojekte abgeschlossen werden.