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Aromatherapie gratis

Auf den Wurgwitzer Feldern hat die Salbeiernte begonnen – eine 100-jährige Tradition.

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Von Andrea Schawe

Bevor die eigentliche Ernte losgehen kann, muss das Unkraut raus. „Das ist noch Handarbeit“, sagt Joachim Günther, Vorstand der Freitaler Bombastus-Werke. Mit Maschinen kommt man nicht zwischen die Salbeipflanzen, das Unkraut darf aber nicht in den Tee. Also müssen die Bauern per Hand jäten, auf knapp 18 Hektar der firmeneigenen Salbeifelder in und um Wurgwitz. Erst dann kann der Erntetraktor kommen.

Vorstand Joachim Günther zeigt Blätter in der Trockenwanne.
Vorstand Joachim Günther zeigt Blätter in der Trockenwanne.
Die Etagentrockner sind mit 3900 Kilogramm frischem Salbei ausgelastet.
Die Etagentrockner sind mit 3900 Kilogramm frischem Salbei ausgelastet.

Am Mittwoch war es so weit. „Das Wetter ist perfekt“, sagt Facharbeiter Ronald Lehmann. Die Sonne brennt schon vormittags, es sind 26 Grad im Schatten. Wenn es heiß und trocken ist, steht der Salbei unter Stress – Trockenstress. Um sich zu schützen, produziert er mehr ätherische Öle als Verdunstungsschutz. „Genau das, was wir wollen“, so Ronald Lehmann. „Das erkennt man an dem weißen Flaum auf den Blättern.“ Mit Flaum ist der Salbei reif für die Ernte. Er reist ein paar Blätter ab, zerreibt sie und riecht daran. „Perfekt.“

„Der Duft ist ein Zeichen, dass der Tee maximal ätherische Öle enthält“, erklärt Dorothea Lehmann, die Leiterin der Abteilung Feldbau. „Das ist der Indikator für einen guten Arzneitee und die heilende Wirkung der Pflanze.“ Die Bombastus-Werke nutzen die Pflanzen mehrere Jahre. „Wir ernten erst ab dem zweiten Jahr, wenn der Salbei reif ist.“ Nach fünf Jahren bekommt der Boden eine Zwischenfruchtkultur, wie Luzerne und Getreide, um ihn für eine neue Salbeisaat vorzubereiten. Erst in diesem Frühjahr wurden drei Hektar Land neu angesät.

Schon seit 100 Jahren pflanzt der Naturheilmittelhersteller Salbei auf Feldern rund um Freital an. Bis dahin kaufte man die Pflanzen in Spanien und England. 1914 legte die Firma die ersten eigenen Felder an, um unabhängig von den Lieferungen zu werden und vor allem die Qualität mitzubestimmen. Ein Jahr später wurden die ersten Salbeitriebspitzen für Tee geerntet. Heute bewirtschaftet Bombastus insgesamt 40 Hektar Flächen und gilt als Europas größter Anbaubetrieb.

Um die 15 Tonnen pro Jahr holt das Unternehmen vom Feld und verarbeitet es hauptsächlich zu Tee, aber auch zu Salben, Ölen und Mundwasser. „In diesem Jahr rechnen wir mit etwa zwölf Tonnen Fertigdroge“, sagt Joachim Günther. Denn das Frühjahr war viel zu trocken. Von Mai bis Juli fielen nur 93 Liter Regen, im Vorjahr waren es 300. „Die Pflanzen sind deswegen kleiner, die Reihen lichter“, sagt Dorothea Lehmann. „Normalerweise müssten die Pflanzen zu dieser Zeit kniehoch stehen und ein grünes Dach bilden.“ Für die gleiche Menge wird deswegen eine größere Fläche geerntet. Bis in den Spätherbst holt der Traktor dreimal in der Woche Salbei für Tee vom Feld – mit einer besonderen Technologie. Ein Luftstrom drückt die Triebspitzen samt Stielen an die Messer, so werden sie nicht gebrochen, gequetscht oder gedrückt. „Den Traktor mit diesem Verfahren haben wir erst seit dem letzten Jahr“, sagt Joachim Günther. Ein Maschinenbauer aus Oberösterreich, der selbst Heilpflanzen anbaut, habe ihn entwickelt.

Während der Traktor Bahn für Bahn über das Feld zieht, wird der Salbei direkt nebenan weiter verarbeitet. In der 2006 gebauten Trockenhalle am Rand der Felder stehen sechs Etagentrockner, auf denen jeweils 500 Kilogramm frischer Salbei auf den Förderbändern liegen. Zwei Tage lang läuft das Band über alle acht Etagen. „So wird der Salbei regelmäßig gewendet“, sagt Dorothea Lehmann. Bei einer Temperatur von nicht mehr als 35 Grad Celsius. Danach kommt er für weitere zwei Tage in eine riesige Trockenwanne – die Pflanzen haben jetzt nur noch ein Fünftel ihres Anfangsgewichts. „Das Verfahren ist besonders schonend“, sagt Lehmann. „Und hier drinnen ist es wie eine Aromatherapie gratis“ – der Salbeigeruch hängt schwer in der Luft.

Nach vier Tagen Trocknen wird der Tee gerebelt – eine Maschine bürstet die Pflanzen über einem Siebkorb, die Stiele bleiben zurück. Danach wird der Tee zum Abfüllen ins Stammhaus auf der Wilsdruffer Straße verladen und an Apotheken bis nach Asien ausgeliefert.