Arzt muss 18.000 Euro Strafe zahlen

Von Helene Krause
Döbeln. Vor Gericht steht ein 36-jähriger Mann, der 2016 als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in einem Krankenhaus der Region tätig war. In dieser Funktion war er für die Nachbehandlung eines am 6. März 2016 geborenen Jungen zuständig. Das Kind litt nach der Geburt an Atemnot.
Die diagnostizierte der Arzt als harmlose Anpassungsstörung. Als er später ein Röntgenbild veranlasste, wurde festgestellt, dass der Junge eine angeborene Sepsis (Blutvergiftung) hatte.
Es kam zu einem septischen Schock mit multiplem Organversagen. Das Kind musste reanimiert werden. Durch den Sauerstoffmangel kam es zur Schädigung des Gehirns. Der Junge ist heute schwerstbehindert.
Der Kinderarzt erhielt einen Strafbefehl. Er sollte eine Geldstrafe von 18.000 Euro (150 Tagessätze zu 120 Euro) zahlen. Dagegen ging er in Einspruch. Der Fall kam vors Amtsgericht Döbeln. Vorgeworfen wurde dem Kinderarzt fahrlässige Körperverletzung.
Das Baby wurde um 15.45 Uhr geboren. Etwa zehn Minuten später stellte der Angeklagte die Atemprobleme fest. Der Junge kam auf die Kinderstation. Erst nach der Reanimation wurde der Säugling auf die Intensivstation nach Chemnitz gebracht.
Der Geschädigte kann heute weder sehen noch hören oder sich bewegen. Er hat keinen Schluckreflex, Atemnot und muss mittels einer Sonde ernährt werden. Er leidet unter epileptischen Anfällen, Angstzuständen und durch die verabreichten Medikamente entwickelte er eine Osteoporose. Sein Kopf wächst nicht normal, der Kiefer ist verformt. Der Junge muss ununterbrochen palliativ betreut werden. Das zwang die Mutter zur Aufgabe ihres Berufs.
Nachdem bei ihrem Baby die Schwerstbehinderung festgestellt wurde, veranlasste die Mutter die Krankenkasse, ein Gutachten zu erstellen. „Wir wollten wissen, was in den zwei Stunden nach der Geburt geschehen ist“, sagte sie.
„Er wurde schon blau auf die Kinderstation verlegt“, schildert sie. „Wir erhielten keine Information und durften unser Kind nicht sehen. Erst nach viereinhalb Stunden kam der Kinderarzt und sagte uns, was mit unserem Kind passiert ist und, dass es schon tot war.“
Das Gericht hatte zwei Gutachter hinzugezogen. Der pensionierte Kinderarzt Dr. Hartmut Koch aus Vechta sagte, dass das Baby bei der Geburt schon nicht ganz gesund gewesen sei. Außerdem habe der Kinderarzt keine Infektion diagnostiziert.
„Eine Infektion wurde nicht in Erwägung gezogen“, so der Gutachter. „Mit einem rechtzeitigen Beginn der antibiotischen Behandlung wäre die Katastrophe zu verhindern gewesen. Er hätte die Blaufärbung sehen und sofort mit der Beatmung beginnen müssen“, so Dr. Koch.
Allerdings schloss der pensionierte Arzt, weil das Baby die Sepsis schon vor der Geburt hatte, auch bei rechtzeitiger Behandlung eine leichte Hirnschädigung des Kindes nicht aus. Diese wäre aber über eine leichte Lern- oder motorische Störungen nicht hinausgegangen, sagte Dr. Hartmut Koch.
Gutachter Professor Dr. Hans Proquitte von der Kinderklinik in Jena stimmte dem Gutachten seines Kollegen Dr. Koch in vielem zu. „Es war eine Verkettung verschiedener Umstände“, sagte er. „Ich kann nicht beweisen, ob der Zustand nicht ohnehin eingetreten wäre“, sagte er.
Allerdings sei er sich sicher, die schweren Schädigungen hätten bei Antibiotikagaben schon im Kreißsaal verhindert werden können. „Mit einer schnellen, den Leitlinien angepassten Behandlung wäre der Zustand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden“, so der Gutachter.
Nach Anhörung der Gutachter zog sich das Gericht zur Beratung zurück. Danach stellt Richter Janko Ehrlich das Verfahren gegen Auflage ein.
Der Angeklagte muss bis zum 15. Oktober 2019 9.000 Euro an die Staatskasse und 9.000 Euro an das Kinderhospiz Bärenherz in Markkleeberg zahlen.
Sollte er dem nicht nachkommen, wird das Verfahren wieder aufgenommen. Dann wird er verurteilt.