Ersehnte Arztpraxis zieht in die Villa Daheim

Lila! Der junge Mann in der Arbeitshose und den Farbspritzern auf der Stirn schmunzelt. Martin Epkes ist eigentlich Sozialpädagoge und arbeitet für den Pirnaer Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Dr. Reinhard Martens. Im Moment aber streicht er Wände in der Villa Daheim in der August-Bebel-Straße 13 in Löbau. Dort will sein Chef ab Oktober in Löbau eine neue Praxis eröffnen. "Ich freue mich sehr, dass ich eine renommierte Kollegin finden konnte, die dann in Löbau tätig sein wird und wir diese schönen Räumlichkeiten für unser Vorhaben gewinnen konnten", erklärt Martens auf SZ-Nachfrage.
Dass sein Mitarbeiter Epkes die Wände anstreicht, ist allerdings keine Missachtung seiner eigentlichen Fähigkeiten, sondern ein eigenes Projekt: Jugendliche, die bei Reinhard Martens in Behandlung sind, helfen ihm dabei. Die zwei Jungs, die an diesem heißen Tag die Wände streichen, sollten eigentlich in die Schule gehen, schaffen das aber wegen ihrer Erkrankungen im Moment nicht. Beim Rollen und Pinseln lernen sie nun, sich wieder an eine Tagesstruktur zu gewöhnen und Spaß zu haben, erklärte Martens das Ziel des Projektes.

Der in Pirna niedergelassene Arzt ist derzeit ohnehin sachsenweit in den Medien präsent: Vor wenigen Tagen stellte er gemeinsam mit der Gesundheitsministerin Sachsens ein Pilotprojekt zur Telemedizin vor: In Weißwasser gründete der Mediziner eine neue Niederlassung, wo die Patienten per Videoschalte mit ihm kommunizieren können. Vor Ort halten seine Mitarbeiter die Stellung. Das werde die Versorgung im Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie deutlich verbessern, loben Freistaat und Kassenärztliche Vereinigung. Damit hat der 55-jährige neben seinem Hauptsitz in Pirna nun drei weitere Außenstellen in Dippoldiswalde, Bischofswerda und Weißwasser. Löbau wird die vierte sein.
Was ihn ausgerechnet nach Löbau verschlagen hat, kann Martens ganz rational und schnell erklären: "Wir schauen, wo viele unserer Patienten herkommen", sagt er. Schnell sei ihm klar geworden, dass diese Region unterversorgt sei und so habe er die Chance ergriffen. In der Tat bestätigt die Kassenärztliche Vereinigung Sachsens (KVS), dass bereits seit 2013 freie Stellen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie für die Region Oberlausitz-Niederschlesien offen sind. Mit der Stelle, die nun Martens Kollegin besetzen wird, waren es zuletzt dreieinhalb freie Stellen, bestätigt Patrice Fischer von der KVS auf Nachfrage.

Für den Mediziner Martens ist die neue Niederlassung sogar ein Familienprojekt: Sein Sohn erwarb die Immobilie, die ein Ehepaar erstanden und zuletzt 2010 und 2011 saniert hatte. Seitdem hat niemand in dem Haus gewohnt, nur der Anbau - eine frühere Näherei - beherbergte einige Jahre einen Modeladen.
Was die Löbauer Außenstelle von den anderen unterscheidet, ist die Ärztin, die dauerhaft vor Ort sein wird. Sie sei derzeit an einer Klinik beschäftigt und habe Verbindungen in die Region. Somit werden die Patienten in Löbau in aller Regel die Medizinerin live erleben können. Die Möglichkeit der Videoschalte werde er aber auch hier nutzen, betont Reinhard Martens. "Gerade in Krisen ist das sinnvoll, manche Kinder bekommen dann Angst und die Eltern haben Mühe, sie zu einem Termin vor Ort zu bringen", beschreibt er die Hürden. Generell, so betont er, legen er und seine Kollegen Wert darauf, die Patienten mindestens einmal persönlich getroffen zu haben, um sich ein Bild zu machen. Biete sich dann eine telemedizinische Versorgung an und werde vom Patienten gewünscht, könne diese auch genutzt werden.
In Löbau geht es aber erst einmal um die Ausgestaltung der Praxisräume. Allerdings wird die Praxis nicht die gesamte Villa für sich nutzen, vorgesehen sei, dass noch ein weiterer Mieter einziehe - eine Ergotherapie beispielsweise. Das Nebengebäude will Reinhard Martens für seine Praxis nutzen. Bewegungsräume ließen sich in dem ehemaligen Modeladen beispielsweise gut einrichten. "Saniert worden ist das Haus ja vor einigen Jahren schon", sagt Martin Epkes, der sich seit April an der Sanierung zu schaffen macht. Hier und da sei noch etwas zu tun gewesen, inzwischen aber gehe es um den Feinschliff: "Welche Farben die Zimmer haben sollen, das gestalten wir jetzt nach den Wünschen der neuen Kollegin und Herrn Martens", erklärt er und nickt zu den beiden Jungs, die ein bisschen schüchtern dabei stehen. "Ich bin wirklich froh, dass vor allem die beiden hier so gut mitmachen", erklärt Epkes, der jeden Tag aus Dresden pendelt. Die zwei Jungs lächeln. Was sie geschaffen haben in den vergangenen Wochen, kann sich buchstäblich sehen lassen.

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