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Asylbewerber müssen umziehen

Weil die Wohnungen der Flüchtlinge auf der Breiten Straße zum Abriss freigegeben sind, werden die Bewohner umgesiedelt. Das bringt Unruhe.

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© Arvid Müller

Von Philipp Siebert

Sie stammen aus Indien, Mazedonien, dem Iran, Pakistan, Afghanistan und dem Irak. Seit über einem Jahr leben die 47 Menschen in Coswig. Sie sind Flüchtlinge, die ihre Heimat aufgrund von Kriegen, Katastrophen und menschenunwürdigen Verhältnissen verließen. Als Asylbewerber warten sie nun darauf, in Deutschland bleiben zu dürfen.

Aus dem Wohnblock an der Breiten Straße 9 im Coswiger Wohngebiet an der Dresdner Straße müssen die 13 Familien jetzt aber ausziehen. Das Gebäude wird im Herbst abgerissen. „Das ist schon seit Langem im Rahmen des Stadtumbaus geplant“, sagt Pia Engel, Geschäftsführerin der Wohnbau- und Verwaltungs-GmbH Coswig (WBV). Schnell mussten die WBV-Chefin und Coswigs Oberbürgermeister Frank Neupold (parteilos) Ersatz für die 47 Flüchtlinge finden. „Wir sind dazu verpflichtet, die Asylbewerber aufzunehmen“, sagt der OB.

Leere Wohnungen wurden gleich in der Nachbarschaft gefunden. In den Hochhäusern an der Radebeuler Straße 6a/b und der Radebeuler Straße 1a/b sind genügend Quartiere für die Familien frei. Im Haus an der Radebeuler Straße 6 sollen jeweils vier Familien in beiden Eingängen unterkommen. An der Radebeuler Straße 1 werden die restlichen fünf im Aufgang b eine neue Wohnung finden. Für Stadt und WBV ist das die beste Lösung. „So verhindern wir, dass sich ein Ghetto bildet und die Flüchtlinge werden stärker in die Bevölkerung integriert“, sind sich Rathaus und WBV einig.

Unter den dortigen Anwohnern sorgt das jedoch für Unruhe. Einige Mieter fürchten nicht nur Unordnung im Haus, sondern sind auch um ihre Sicherheit besorgt. „Ich traue mich gar nicht mehr in den Urlaub zu fahren, die steigen doch dann in meine Wohnung ein“, sagt ein älterer Herr, der nicht genannt werden möchte. Andere ziehen sogar in Erwägung, aus dem Wohngebiet wegzuziehen, wenn die Flüchtlingsfamilien in die Häuser ziehen.

Oberbürgermeister Neupold hat für solche Äußerungen wenig Verständnis. „Das ist völlig übertrieben“, sagt er. Bisher habe es mit den Flüchtlingen keine Probleme gegeben. Neupold: „Sicherlich gibt es mal Auseinandersetzungen, weil Müll nicht richtig getrennt oder Wäsche nicht auf den Leinen, sondern auf den Pfählen aufgehängt wird – aber das sind Lappalien.“ Auch mit den schulpflichtigen Kindern, die an der Grundschule Mitte und der Mittelschule Kötitz Deutsch lernen und unterrichtet werden, gebe es keine Schwierigkeiten. Er bittet die Mieter daher um Verständnis, dass sich die Neuankömmlinge an die im Vergleich zu ihrer Heimat sehr unterschiedliche Lebensweise in Deutschland erst gewöhnen müssen.

Ulrich Zimmermann, 2. Beigeordneter und zuständiger Dezernent im Meißner Landratsamt, pflichtet Neupold bei. „In den 20 Jahren, in denen Asylbewerber in Coswig untergebracht sind, kam es zu keinen schwerwiegenden Übergriffen oder Straftaten“, sagt er. Ganz im Gegenteil. In Coswig habe der Landkreis nur gute Erfahrungen gemacht. Zimmermann: „Die Flüchtlinge haben ihre Wohnungen und den Plattenbau baulich, zum Beispiel mit Stuck an den Decken, selber wieder schick gemacht.“ Zu verdanken sei das auch der Mitarbeiterin der Diakonie, die die Familien betreut.

Trotz der guten Zusammenarbeit mit Coswig und der WBV ist in Zukunft nicht geplant, weitere Asylbewerber in der Stadt unterzubringen – obwohl in diesem Jahr noch einmal über 60 Flüchtlinge in den Landkreis ziehen. „Die werden in Meißen unterkommen, Coswig hat das Soll erfüllt“, sagt Zimmermann. Insgesamt 500 Asylbewerber zählt der Landkreis dann.