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Atemlose Stille

Nur selten wird Passionsmusik als „Passionsprogramm für moderne Menschen“ benannt. Auch selten erfreuen in einem guten Konzert nicht alle Töne gleichermaßen. Ullrich Thiem mahnt in der Kirche Lohmen bei...

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Von Karla Hertwig

Nur selten wird Passionsmusik als „Passionsprogramm für moderne Menschen“ benannt. Auch selten erfreuen in einem guten Konzert nicht alle Töne gleichermaßen. Ullrich Thiem mahnt in der Kirche Lohmen bei der Probe mit dem Chor: „Einsatz und richtiges Singen sind wichtig!“ Ulrich Thiem (Cello), Friedrich Dillner, Mitglieder der 1980 gegründeten Gruppe „Bach & Blues Dresden“, gestalten am ersten Sonntag der Passionszeit ein außergewöhnliches Konzert. Im künstlerisch anspruchsvollen Programm dürfen Zuhörer empfinden: Hier werden Inhalte der Passionszeit verdeutlicht. Im Miteinander von alten Formen und Klangfarben wird Altes hochachtungsvoll interpretiert, aber auch ergänzt durch völlig andere Klänge: Jazz und Blues im Duo von Saxophon und Cello. Vielfältige Variationen des bekannten Liedes „O Haupt voll Blut und Wunden“ von Herbert Viecenz führen zum Geschehen auf Golgatha hin. Farb- und Formenspiele des Malers Rainer Wriecz ergänzen als Dia-Grafiken Musik und Texte.

Franziska Dillners Gesang geht ins Mark. Nichts ist Selbstzweck. Nichts wird dem Zufall überlassen. Die wandlungsfähige Stimme der Sopranistin verleiht dem Leiden und Sterben Gestalt. „Das Passionsgeschehen ist der Beginn von etwas Unfassbarem“, sagt Ulrich Thiem. Er möchte die Zuhörenden mit durch Tore nehmen. Tore der Wahrnehmung, die man durchschreitet, um drüben als ein anderer anzukommen. Der Rilke-Text „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“, kluge Worte des katholischen Theologen Eugen Drewermann, auch Verse von Hermann Hesse werden musikalisch aufgenommen. Sternbergs glanzvoll Virtuoses und seine deutlich spürbare Sensibilität für das Spannungsvolle geben dem Konzert meditativen Charakter. Dieser verstärkt sich, als Franziska Dillner das Passionsgeschehen aus den Evangelien liest. Ausdrucksstark, sensibel, bildlich vorstellbar. Da hinein aufrüttelndes Musizieren der Klarinette. Mehr als eindringlich das bekannte „Befiehl du deine Wege …“ von Paul Gerhardt, einem streng lutherischen Liederdichter aus dem 17. Jahrhundert. „Das klingt fromm. Für mich auch, aber wohl denen, die aus dem Glauben ihres Herzens heraus leben können“. So leitet Ulrich Thiem zu einem Klarinettensolo mit feinsten Nuancen über. Danach schienen Klarinette und Cello tonmäßig ineinander zu verschmelzen. Zuletzt Liedkunst in Vollendung, ein „frommes“ Lied als Geschenk oder gar ein unwiderstehlicher Kick? Nein, innige, unverschnörkelte, klangreiche Botschaft. Ulrich Thiems Worte „Jesus hat sein Leben gegeben. Wie sieht unsere Nachfolge aus?“ lassen es still im Kirchenraum werden. Atemlos still.