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„Auch 2014 kann ein Hochwasser kommen“

Nünchritz hat die erste bürgerschaftliche Wasserwehr Sachsens. Die SZ sprach mit deren Chef Jens Neumann.

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Jede der 435 vom Hochwasser bedrohten Kommunen in Sachsen ist verpflichtet, eine Wasserwehr einzurichten, erklärte Olaf Kind, Referent im sächsischen Umweltministerium, und verweist auf das Wassergesetz. Dass diese Aufgabe in Krisenfall aber nicht die Freiwillige Feuerwehr, sondern engagierte Bürger übernehmen, dürfte im Freistaat bislang einzigartig sein. Sowohl das Ministerium als auch die Landestalsperrenverwaltung (LTV) begrüßen dieses Modell und kündigten umfangreiche Unterstützung an. So förderte der Freistaat die Erstausrüstung der Wasserwehren bisher bereits mit rund 1,9 Millionen Euro, unter anderem für die Anschaffung von Schutzkleidung, Sandsäcken, Pumpen, Schlauchbooten und Beleuchtungsmaterial. Darüber hinaus werde auch die Ausbildung unterstützt, so Olaf Kind. „Ich finde es gut, dass sich Bürger aktiv mit Hochwasserschutz beschäftigen“, sagte auch LTV-Chef Eckehard Bielitz. Er rät nun, die Zeit bis zu einer möglichen nächsten Katastrophe für umfangreiche Schulungen zu nutzen, wofür die LTV gern Ansprechpartner sei. Welche Schulungen und Ausrüstung nun aber genau bei der Freiwilligen Wasserwehr Nünchritz gebraucht werden, darüber sprach die SZ mit deren Leiter Jens Neumann.

Herr Neumann, herzlichen Glückwunsch! Sie sind der Leiter der neuen Freiwilligen Wasserwehr Nünchritz. Bekommen Sie jetzt auch bald eine schicke Uniform wie die Feuerwehr?

Nein, auf keinen Fall. Das Geld soll lieber in den einen oder anderen Schutz mehr für die Gemeinde investiert werden. Wir brauchen auch keine Pieper und so ein Zeug. Stattdessen wollen wir zum Beispiel Wälle anschaffen. Also Schlauchsysteme, die auf dem Deich angebracht werden und ihn erhöhen sollen. Später sind höchstens einheitliche Jacken vorstellbar, und ansonsten können wir auf die Ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehr zurückgreifen, an die wir angegliedert sind.

Warum übernimmt dann nicht gleich die Feuerwehr die Aufgaben der Wasserwehr wie anderswo auch?

Um die Feuerwehr zu entlasten. Wenn während eines Hochwassers ein Feuer ausbricht, ist das nicht mehr zu händeln.

Und was genau ist dann die Aufgabe der Wasserwehr?

Die Wasserwehr ist eine Mischung aus Katastrophenschutz und Feuerwehr unter dem Deckmantel der Kommune. Also sozusagen ein kontrolliertes Engagement von Freiwilligen, wenn es zum Hochwasser kommt. Unsere Leute müssen aber nicht Sandsäcke füllen, sondern eher organisieren und kontrollieren. Die Deichlinie zum Beispiel. Die Leute entlang der Elbe müssen angeleitet werden.

Sie sind ja aber gerade mal zwei Handvoll Mitglieder. Auch für Sie wird das doch zu viel, oder?

Im Krisenfall könnten ja alle Einwohner mit herangezogen werden. Neue Mitstreiter sind aber immer gern willkommen, denn wir wollen nicht permanent auf die Feuerwehr zurückgreifen müssen. Zumal es auch keinen Sinn hat, dass nur selbst vom Hochwasser Betroffene mitmachen. Die haben dann ja auch genug mit sich selbst zu tun. Wir treffen uns auch nicht jede Woche.

Aber Schulungen wird es doch geben?

Ja. Aber Details müssen wir zusammen mit der Feuerwehr und dem Bürgermeister erst noch erarbeiten. Es ist alles noch frisch.

Ähnliche Wasserwehren gibt es wohl in Sachsen-Anhalt. Arbeiten Sie nach deren Vorbild?

Nein. Wir werden das Vorbild sein.

Warum haben Sie sich zum Wehrleiter wählen lassen?

Ich wohne quasi in der Elbe – je nach Wasserstand. Ich bin physikalisch mit der Elbe vertraut, kann gut organisieren und Leute anleiten.

Wann, glauben Sie, muss die Nünchritzer Wasserwehr erstmals aktiv werden?

Ich kann nur jedem raten: Lehnt Euch nicht zurück. Es kann auch 2014 noch mehr kommen.

Das Gespräch führte Antje Steglich.