Von Heike Wendt
Schicke Kurzhaarfrisur, frisch geföhnt und mit Haarspray haltbar und glänzend in Form gebracht – so bereiten sich nicht etwa die Hostessen für ihren Auftritt bei der Agra in Leipzig vor – sondern die Milchkühe zur Misswahl. Solche Schönheitswettbewerbe, ursprünglich eher für die Damen auf zwei Beinen gedacht, haben sich nun auch in der Tierwelt etabliert. Entscheidend sind graziles Auftreten, eine gute Figur und Ausstrahlung. Nur im Bikini müssen die Vierbeiner nicht posieren – stattdessen brav am Halfter eine Runde tippeln.
Rainer Hegewald hat drei seiner besten Kühe für die Landwirtschaftsmesse ausgewählt, natürlich mit der Hoffnung auf einen der vorderen Plätze. Der Titel „Miss Agra“ wird alle zwei Jahre an die schönste Milchkuh vergeben. Je nach Alter treten die Rindviecher in verschiedenen Kategorien an. Eine Altkuh zu sein, ist in diesem Fall kein Nachteil, ganz im Gegenteil. Neben dem perfekten Wuchs ist Friseurhandwerk gefragt. „Es ist wirklich so, die Kühe werden vor dem Wettbewerb rundum geschoren“, erklärt der Leiter der Tierproduktion in der Agrarproduktivgenossenschaft Weideland Bad Gottleuba.
Der Preisrichter will einen geraden Rücken sehen, wohl geformte Beine und die Milchadern am Euter. Außerdem: Hohe Vitalität und Ausgeglichenheit, die Lebendigkeit muss trotz des hohen Alters noch aus den Augen blitzen. Das Euter soll möglichst fest und hoch sein. „Wie bei Manila, die auch mit in Leipzig war“, sagt Rainer Hegewald und zeigt auf eine Schwarzbunte mit gerader Linie am Rücken. Bereitwillig lässt sie sich von ihm nach vorn bugsieren.
Die Konkurrenz in Leipzig war groß. Etwa 90 Milchkühe traten an, um die Schönste zu werden. Fürs Siegertreppchen hat es in diesem Jahr allerdings nicht gereicht. „Mit Astrid, einer Schwarzbunten, kamen wir wenigstens auf den vierten Platz“, sagt der Landwirt. Einmal, vor Jahren, habe er es schon zu einem Siegertitel gebracht. Und in zwei Jahren will er wieder beim Schönheitswettbewerb mitmischen.
Mit der jetzigen Kuhherde ist es nicht ganz einfach, derartige Wettbewerbe zu gewinnen. Als die Ställe vor knapp 20 Jahren bezogen wurden, hatten die Tiere noch richtig viel Platz. Mittlerweile werden sie von der Statur her immer größer. Und da wird es eng. Doch an optimalen Bedingungen soll es im Kuhstall in Oelsen nicht mangeln. Jetzt, so berichtet der Leiter der Agrarproduktivgenossenschaft, wird einer der Ställe abgerissen und stattdessen ein breiterer gebaut. Dann wird die Technik gleich mit modernisiert. Statt eines Melkkarussells wird es künftig Melkroboter geben. Der Gang zum Melken ist dann den natürlichen Bedürfnissen der Kühe angepasst.
Je nach Milchleistung dürfen sich die Rindviecher bis zu viermal täglich erleichtern lassen. Eingebaute Elektronik in der Melkanlage erkennt automatisch, wer schon da war und ob die Milch gut genug ist. Etwa 500 Milchkühe haben bei Rainer Hegewald ein Quartier. Durchschnittlich 8 000 Liter Milch gibt jede pro Jahr. Im neuen Stall soll es den Tieren noch besser gehen. Dann könnte es in zwei Jahren mit einem Titel bei der Kuh-Misswahl klappen.