Von Ulli Schönbach
Osterbräuche und -traditionen gibt es viele, von den Osterfeuern in der Niederlausitz bis hin zum weit verbreiteten Holen des Osterwassers. Nur selten allerdings ist eine Stadt so stark mit diesem Fest verbunden wie Bautzen. Mit der Prozession der Osterreiter am Ostersonntag, mit dem Osterblasen am Karsonnabend und mit dem Eierschieben auf dem Protschenberg gibt es gleich drei starke Traditionen.
Warum gerade Bautzen Schauplatz einer solchen Vielfalt ist und deshalb in den 30er Jahren sogar deutschlandweit als „Osterstadt“ vermarktet wurde, war jetzt Thema eines Vortragsabends im Bautzener Altstadtverein. Der sorbische Superintendent Jan Mahling, der katholische Pfarrer Michael Bresan aus Nebelschütz und Peter Giebelhäuser vom Altstadtverein schilderten Ursprung und Entwicklung der Reiterprozession, des Osterblasens und des Eierschiebens. Sie machten deutlich, dass diese Traditionen zwar aus unterschiedlichen Wurzeln entspringen und von verschiedenen Motivationen getragen werden, dass sie sich aber über die Jahre beeinflusst und zum Teil im Wechselspiel mitein ander entwickelt haben. Besonders deutlich wird das am Beispiel der katholischen Osterreiterprozession und des Osterblasens der evangelischen Posaunenchöre.
Das Osterreiten ist die weitaus älterere der beiden Traditionen. „Vermutlich geht es auf den heidnischen Brauch zurück, zu Beginn des Frühjahres um die Felder der Gemeinde zu reiten“, sagte Michael Bresan und verwies auf das Beispiel von Ostro, wo sich neben dem Osterreiten auch das Saatreiten am Ostermorgen erhalten hat. Später vollzog sich der Wandel zu einer christlichen Prozession, in der die Männer hin ausritten, um die Botschaft der Auferstehung zu verkünden. Unklar sei allerdings, wie lange es das Osterreiten in der heutigen Form gebe. Zwar nehme Wittichenau für sich in Anspruch die älteste Reiterprozession in der Lausitz zu sein. Der exakte Nachweis dafür fehle aber, sagte Bresan.
In Bautzen selbst war das Osterreiten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts feste Tradition, brach aber anschließend für lange Zeit ab und wurde erst 1927 wieder aufgenommen. Zunächst probehalber mit nur sieben Reitern – ein Jahr später dann auch offiziell.
Zu selben Zeit entsteht das Osterblasen, und zwar als direkte Reaktion. „Es war der damalige Pfarrer Gottfried Große, der der Erneuerung der Bautzener Reiterprozession etwas entgegensetzen wollte und deshalb die Bläserstunde auf dem Protschenberg einführte – gewissermaßen als deutsche, evangelische Antwort auf das sorbische, katholische Osterreiten“, erläuterte Jan Mahling. Dabei ging der Pfarrer offenbar recht pragmatisch zu Werke. Auch bei der Wahl des Zeitpunkts. „Schließlich ist erst der dritte Tag – also Ostersonntag – Tag der Auferstehung“, so der sorbische Superintendent, „das Osterblasen am Karsamstag ist deshalb eigentlich ein Unding“. Gleichwohl „die Erfindung des Pfarrers Große lebt“ – wohl auch wegen der großen Popularität, die sie von Anfang an bei den Bautzenern genoss.
Im Gegensatz zum Osterblasen hat das Eierschieben zwar ebenfalls eine lange Tradition und geht – wie Peter Giebelhäuser sagte – auf einen 450 Jahre alten Volksbrauch zurück. Seine Blüte erlebte das Fest aber dennoch erst Ende der 20er Jahre – parallel zur Einführung des Osterblasens und zur Wiedergeburt der Bautzener Reiterprozession.
39 Sonderzüge nach Bautzen
Dies hat zum einen mit den Aktivitäten des damaligen Verkehrsvereins zu tun, unter dessen Einfluss das Volksfest zunehmend organisierte Züge annahm – bis hin zu großen Ostermärschen der Bäcker- und der Fleischerinnung, die mit Geschenken für die Kinder über die Kronprinzenbrücke zogen.
Zum anderen entdeckten zu dieser Zeit die Zeitungen, der Rundfunk und die Kino-Wochenschau Bautzen. „Vor allem mit den Osterreitern wurde die Stadt deutschlandweit bekannt“, sagte Giebelhäuser. Mit den Jahren kamen deshalb immer mehr Besucher von außerhalb. 39 Sonderzüge mussten Anfang der 30er Jahre zu Ostern in Bautzen eingesetzt werden. Und allein am hiesigen Bahnhof wurden während der Feiertage 17 000 Fahrkarten verkauft.