Von Jana Ulbrich
Es gibt garantiert bessere Jobs bei dieser klirrenden Kälte. Aber Klaus Wobser ist hart im Nehmen. „Wer seit 35 Jahren im Forst arbeitet, der ist einiges gewöhnt“, schmunzelt der 52-Jährige und greift sich sein Werkzeug: Eine kleine handelsübliche Harke (so eine, wie sie die Leute immer auf dem Friedhof benutzen), eine leere Cremedose (die hat er von der Frau seines Kollegen) und ein Thermo-sitzkissen (so eins, wie es in Fußballstadien gibt). Mehr braucht Klaus Wobser heute nicht.
Dann setzt er sich seine Tschapka auf, zieht ein paar dünne Feinstrickhandschuhe an und stiefelt los. Heute sind die Waldarbeiter vom Kreisforstamt in einem Kiefernbestand zwischen Radeberg und Arnsdorf unterwegs. „Winterbodensuche“ heißt ihre Mission. Klaus Wobser ist angekommen auf seiner Probefläche. Es ist eine von 94 Flächen im ganzen Kreisgebiet, die die Männer vom Forst schon seit zwei Monaten penibel untersuchen. Klaus Wobser seufzt, kniet sich wie seit zwei Monaten schon unter eine der Kiefern und fängt an, ganz vorsichtig das Laub beiseite zu harken.
Er harkt ein Rechteck frei: Einen Meter lang, einen halben Meter breit. Sein Kollege Volkmar Schulze macht ein paar Meter weiter hinten das gleiche. Zehn Rechtecke sind eine Probestelle. Stunden wird es dauern, ehe die beiden Männer zehn Rechtecke geschafft haben. Bei dem tief gefrorenen Boden, den sie bis in zehn Zentimeter Tiefe genauestens untersuchen, dauert es noch länger. Aber Frost muss sein. Ohne Frost fallen die Puppen und Kokons der Kiefernschädlinge nicht von den Bäumen, und die Männer könnten sie nicht zählen. Nur deswegen knien sie jetzt hier.
„Da!“ Klaus Wobser hat in dem rötlichbraunen Boden einen winzigen rötlichbraunen Kokon gefunden, nicht größer als ein Puffreiskorn und mit ungeübtem Auge kaum zu erkennen. Gut, dass Wobsers Augen jahrelange Übung haben. „Das sollte mal eine Kiefernbuschhornblattwespe werden“, erklärt der Forstwirt. Er muss sich sogar die dünnen Feinstrickhandschuhe ausziehen, um den glänzenden Winzling aus der gefrorenen Erde klauben zu können. Die Kälte kriecht immer mehr in die Finger. Aber eine Pause im warmen Auto und mit heißem Tee gönnt Klaus Wobser sich erst später. „Da, wieder etwas!“ Diesmal ist es die Puppe einer Kieferneule. Alle Puppen, Kokons und Raupen, die die Männer im Boden finden, kommen in die kleine Cremedose.
Am Nachmittag werden sie ihren Fund bei Thomas Sobczyk im Kreisforstamt in Kamenz abliefern. Sobczyk, der für die Waldpflege zuständig ist, wird den Inhalt der Cremedose in eine kleine, exakt beschriftete Pappschachtel füllen. Diesmal sind es 16Kokons der Kiefernbuschhornblattwespe, sieben Puppen des Kiefernspanners, fünf Puppen der Kieferneule und eine Raupe vom Kiefernspinner. Zwei Kokons von Schlupfwespen sind auch dabei. „Die zählen zwar zu den Parasiten, sind in diesem Fall aber nützlich“, erklärt Thomas Sobczyk. Die Schlupfwespen fressen nämlich die Schädlinge. Das ist aber auch das einzig Positive an dem, was die Männer von der Probestelle bei Königswartha mitgebracht haben. „Mehr als zehn Schädlinge auf einer Probestelle, das ist schon kritisch“, sagt Sobczyk. Und er weiß: Die Befunde von fast allen Probestellen im Kreis sind in diesem Winter kritisch.
In einigen Beständen werden die Waldarbeiter im Frühjahr wohl Pheromonfallen aufstellen müssen, um die Falter zu fangen, ahnt der Mann vom Kreisforstamt schon jetzt. Wo genau, das werden dann erst die Untersuchungen im Labor vom Sachsenforst ergeben, in das Thomas Sobczyk die Schachteln von allen 94 Probestellen bringen wird.
Klaus Wobser hat gerade einem Wanderer erklärt, warum er hier im Wald kniet. „Die Leute wundern sich ja“, sagt er. Die Kälte ist jetzt auch in den Knien. Aber der trockene Frost dieses Jahr ist ihm lieber als der viele Schnee im letzten Winter, erzählt er. Und die Männer haben es ja auch gleich geschafft mit allen 94 Probestellen in den Kiefernwäldern des Kreises. Im Frühjahr geht’s dann weiter – dann werden die Borkenkäfer gezählt.