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Auf die Balance kommt es an

Ist die Kirche ein Ort der Freiheit? Über weite Strecken der Geschichte war sie es nicht, oft sogar das Gegenteil. Und heute? Manche werden die Frage eher bejahen: Der Gestaltungsspielraum ist groß, man...

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Ist die Kirche ein Ort der Freiheit? Über weite Strecken der Geschichte war sie es nicht, oft sogar das Gegenteil. Und heute? Manche werden die Frage eher bejahen: Der Gestaltungsspielraum ist groß, man kann persönliche Fähigkeiten einbringen, frei reden, es gibt wenig Zwänge, denen man sich unterwerfen muss. Andere werden wohl darauf verweisen, dass zwar der äußere Zwang gering, aber dafür der Erwartungsdruck groß ist. Und immer noch gibt es massive moralische Einengung von Menschen und Haltungen, die nicht ganz dem Bild eines gutbürgerlichen Christenmenschen entsprechen.

Der Apostel Paulus hat für die junge Kirche im 1. Jahrhundert einen programmatischen Satz geschrieben: Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! (Galaterbrief 5,1)

Die brave Normerfüllung macht noch keinen Christen aus. Und du musst auch nicht sonst was alles tun oder lassen, um ein guter Christ zu sein. Das entscheidet sich vielmehr daran, ob wir Gott vertrauen und ihm zutrauen, aus unserem Leben was zu machen. Wir müssen ihn dann allerdings auch ranlassen an unser Leben. Martin Luther, der sich ja vehement gegen das bloße äußere Erfüllen von Regeln stemmte, hat die Freiheit von Christen in dialektischer Spannung zweier Pole gesehen: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“

Wir sind frei von vielen äußeren Zwängen, aber wir sind auch so frei, für andere da zu sein, die uns brauchen. Es gibt Menschen, die dazu neigen, ihre Freiheit für sich selbst zu nutzen, egal was das für andere bedeutet. Hauptsache ich. Andere neigen eher dazu, sich keine Freiheit zu gönnen, immer noch mehr zu machen oder ängstlich danach zu schauen, was denn die anderen sagen. Aber auf die Balance kommt es an. Christen sind frei, aber sie werden die Freiheit anderer nicht antasten, sondern nach Möglichkeit befördern.