SZ +
Merken

Auf Jobsuche trotz Handicap

Schwerbehinderte haben es noch schwerer, eineArbeit zu finden. Dabeimüssen Firmen ab 20Beschäftigte zahlen, wenn sie sie nicht einstellen.

Teilen
Folgen

Von Holger Gutte

Eigentlich könnte es Michael Gehring egal sein, ob er in seiner Firma einen Schwerbehinderten einstellt oder nicht. Doch der Chef der Fahrzeugüberführungsfirma Gehring denkt anders. Wegen eines Bandscheibenschadens gilt er selber als schwerbehindert. „Ich habe drei Schwerbehinderte eingestellt, weil ich mit ihnen bei der Arbeitssuche gut mitfühlen kann. Und ich weiß, dass sie genauso arbeiten können“, sagt er. Michael Gehring hat in seiner Firma in Bertsdorf-Hörnitz nur zehn fest angestellte Mitarbeiter. Er müsste also keine Ausgleichsabgabe zahlen. Trotzdem bietet er beispielsweise einem an Krebs Erkrankten und einem Gehbehinderten eine berufliche Chance.

In der Bautzener Agentur für Arbeit wären die Mitarbeiter froh, wenn noch mehr Geschäftsführer so denken würden. Sie wissen, dass es besonders schwierig ist, einen Schwerbehinderten zu vermitteln. „Es gibt viele Vorurteile, Angst vor besonderem Kündigungsschutz, noch mehr Verwaltungsaufwand usw. Dabei zeigt die Praxis, dass es gar nicht so ist, wie gegenüber der SZ auch Michael Gehring bestätigt. Trotzdem zahlen viele Arbeitgeber lieber eine Ausgleichsabgabe. Die wird fällig, wenn bei einer Betriebsgröße ab 20 Mitarbeitern keine oder zu wenig Schwerbehinderte beschäftigt werden. Zwischen 105 und 260 Euro pro nicht besetztem Arbeitsplatz sind das immerhin.

Bis zum 31. März müssen jetzt wieder alle in Frage kommenden Firmen und Institutionen den Arbeitsagenturen melden, ob sie fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Schwerbehinderten besetzt haben. Die Daten werden dann ans zuständige Integrationsamt in Chemnitz bzw. an dessen Zweigstelle in Dresden weitergeleitet.

Über die Hälfte muss zahlen

Dort weiß man, dass es in Sachsen im Vorjahr 7 133 beschäftigungspflichtige Arbeitgeber gab. 4 480 davon mussten eine Ausgleichsabgabe zahlen, weil sie nicht oder zu wenig Schwerbehinderte eingestellt haben, berichtet der Chemnitzer Sachgebietsleiter Tittus Meusel. Sachsen liegt damit nur leicht unter dem Bundesdurchschnitt.

Die Ausgleichsabgabe ist jedoch nicht als Bußgeld gedacht. „Es gibt beispielsweise eine Reihe von Berufsgruppen, da ist die Beschäftigung eines Schwerbehinderten gar nicht möglich“, sagt Brita Zumpe, die Leiterin der Dresdner Zweigstelle des Integrationsamtes. Mit der Ausgleichsabgabe hat der Gesetzgeber eine Möglichkeit geschaffen, mit der sozusagen jede Firma oder Behörde einen Beitrag zur Einstellung von Behinderten leistet. Denn das Geld wird ausschließlich dafür verwandt. Unter anderem für spezielle Laptops für einen Büroarbeitsplatz für Blinde. Woanders wird mit dem Geld der Verlust ausgeglichen, der einer Firma entsteht, weil ein Mitarbeiter wegen seiner Behinderung seine Arbeitsaufgabe nicht so schnell erledigen kann.

Das alles hört sich gut an. Doch Elke Pratsch, die Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragte des Landkreises, weiß: „Viele Schwerbehinderte fühlen sich zunehmend ausgegrenzt und finden die Jobsuche hoffnungslos.“ In den ständigen Gesprächen mit Betroffenen hört sie das immer wieder. Die Leiter der Arbeitsämter in Zittau und Löbau wissen aber auch Positives.

Mario Klocke, Geschäftsführer der Handelskontor Ebersbach GmbH, zu der die Pfennig-Oasen gehören, hat erst in dieser Woche wieder drei Schwerbehinderte eingestellt. „Ich habe damit kein Problem“, sagt er. „Der Kündigungsschutz ist ein Thema“, sagt der Technische Leiter der Weigl Zerspanungstechnik GmbH, Jens Becker. Trotzdem hat die Zittauer Firma mit Behinderten gute Erfahrungen gemacht. Von den 135 Mitarbeitern haben drei eine Behinderung. Sechs müssten es eigentlich sein. Dennoch zählt die Firma zu den guten Beispielen.

Landratsamt übertrifft Quote

So wie auch die Klinik des Landkreises Löbau-Zittau gGmbH, in der die Krankenhäuser Zittau und Ebersbach zusammengeschlossen sind. „Von unseren 740 Mitarbeitern haben 30 eine Schwerbehinderung“, sagt der kaufmännische Geschäftsführer Wolfgang Mayer. Das Landratsamt liegt mit 26 Behindertenarbeitsplätzen und 459 Mitarbeitern über der geforderten Quote.

Bei der Dürninger Abraham & Co. GmbH in Herrnhut werden auch geistig Behinderte eingestellt. „Wir sind ein Betrieb der evangelischen Brüderunität. Diese Menschen sind die Ärmsten der Armen, denen wir mit Nächstenliebe eine Chance geben sollten. Natürlich gehört durch den hohen Betreuungsaufwand auch Idealismus dazu“, sagt Produktionsleiter Hubert Graf. Aber es funktioniert. Einige Betroffene arbeiten hier schon seit 15 Jahren im Versand.