Kerstin Fiedler
Es ist in jedem Nest eine neue Überraschung: Wie viele Jungtiere sind wirklich oben? Wilfried Spanks Schätzung, dass im Nest auf dem Scheunendach in Wartha drei Jungtiere sind, hat sich bestätigt. Der Mitarbeiter des Fördervereins für das Biosphärenreservat hat die Ringe mit nach oben genommen. Jedes Tier bekommt einen ans Bein. Nun sind sie registriert, können verfolgt und wiedererkannt werden.


Einmal im Jahr gibt es eine Storchenberingungstour. Die ist ehrenamtlich und wird vom Förderverein und der Naturschutzstation Neschwitz unterstützt. Die Ergebnisse der Beringung sind für die Vogelwarte Hiddensee, die am Institut für Zoologie an der Universität Greifswald unter anderem den Vogelzug erforscht.
Doch ohne die kostenlose Hilfe der Firma Lift-Manager aus Jänkendorf wäre die Tour nicht möglich. Die Männer starten in Mücka, dem Sitz des Fördervereins. Über Kaschel und Steinitz geht es nach Wartha bei Königswartha.
Jungstörche ducken sich ab
Noch völlig ungestört, zeigen sich drei Störche hoch aufgerichtet im Nest. Sind das wirklich noch Jungtiere? Ja, sind es. Als Wilfried Spank mit der Hebebühne nach oben fährt, ducken sie sich ab. „Das haben sie gelernt – wenn Gefahr kommt, müssen sie sich tot stellen“, erklärt Spank. Er versucht ruhig aber bestimmt die dünnen Beine zu greifen und klippst einen Ring fest. Während der Beringung fährt ein Auto auf den Hof. Steffi Strobel schaut nach oben zum Nest. Sie kann von ihrem Schlafzimmerfenster aus die Tiere beobachten. „Es ist spannend zu sehen, wann sie ankommen“, sagt die junge Frau. Auch dem sechsjährigen Sohn gefällt das Nest auf der Scheune.
Früher, so erzählt Steffi Strobel, gab es auf dem Wohnhaus noch eine Antenne, auf der die Tiere saßen. Der ist aber nun weg. „Ich finde es schön, die Störche so nah zu sehen“, sagt sie. Und am Carport steht ein hölzerner Storch als Windrad. Der Ring für die Registrierung der Störche ist seit 2003 schwarz und nicht mehr aus Aluminium. Das ist zwar für die Störche besser, weil sich die Beine nicht mehr entzünden, aber die weiße Schrift verblasst zu schnell, ist deshalb von Weitem nicht so gut zu lesen. Das bestätigt auch Andreas Baumgärtel. Er ist in diesem Jahr wieder dabei, wenn die Störche beringt werden. Denn Baumgärtel ist ein großer Fan der Tiere, beobachtet bei sich zu Hause in Brohna immer den Storchenhorst beim Nachbarn und knüpft Kontakte zu anderen Menschen, die auch gern die Störche beobachten. „Leider sind die Jungtiere in Brohna gestorben“, sagt er. Er vermutet, dass das Futter, das die Elterntiere von den güllegedüngten Feldern mitgebracht haben, nicht gut für sie war.
Es wird eng im Nest
Nachdem die drei Ringe in Wartha angebracht sind, geht es weiter Richtung Commerau. Dort gibt es schon immer zwei Storchennester. Und wie verschieden sich die Entwicklung der Jungtiere gestalten kann, sehen die Naturschützer an diesem Beispiel. Im ersten Nest befinden sich vier Tiere. Fast haben sie keinen Platz mehr darin, als sie sich ducken wollen. Ein Tier hat schon einen roten und keinen schwarzen Schnabel mehr – eher ungewöhnlich bei Jungtieren. Ortwin Heinze, der diesmal nach oben fährt, hat zu tun, um nicht die Schwingen der Tiere ins Gesicht zu bekommen. Über dem Zaun unterhalb des Nests liegt wie jedes Jahr eine starke Plane. Die Anwohner schützen damit ihr Grundstück vor dem Kot, der ziemlich ätzend wirkt. Axel Semper, der Fahrer der Hebebühne, ist schon seit vielen Jahren bei diesen Beringungstouren dabei. „Ich finde es gut, wenn Leute es akzeptieren, dass in ihrer Nachbarschaft die Störche brüten“, sagt er, denn er kennt auch negative Beispiele.
Immer neue Überraschungen
Dann geht es in Commerau an den Ortsausgang Richtung Entenschenke. Zunächst sieht es so aus, als ob dort drei Jungtiere im Nest liegen. Aber dann steht ein Vogel auf. Mit rotem Schnabel – eindeutig ein erwachsenes Tier. Der Storch wartet, bis die Hebebühne oben ankommt. Noch immer bewegt er sich nicht. Erst, als Ortwin Heinze den Korb der Hebebühne etwas ruckartig bewegt, fliegt er davon. Und im Nest liegen zwei kleine Störche.
Die Männer fahren dann weiter. Sie haben noch einige Nester vor sich. Und in jedem wartet eine neue Überraschung.
Wer sich für die Störche der Erde interessiert, kann im Marstall von Schloss Branitz bei Cottbus eine Sonderausstellung über die 19 Storchenarten der Erde besichtigen. Sie geht noch bis 30. September.