Von Jörg Stock
Die Ausmaße erinnern an den Bierwagen der letzten Dorfsause. Und zu trinken gibt’s hier auch was. Doch ist der Saft nicht aus Gerste gebraut, sondern aus frischem Obst gepresst. Heute sind es Äpfel. Tonnenweise liegen sie auf dem Gelände des Ehrenberger Landservice bereit, gucken mit roten Backen aus Säcken und Stiegen. Dann stiefelt ein Herr in grünen Latzhosen herbei und schickt die Früchte auf ihre letzte Reise – durch die mobile Saftpresse.
Uwe Riedel ist einer der Köpfe des Unternehmens, das sich – nicht grade unbescheiden – „Apfel-Paradies“ nennt. Wieso? „Weil das Obst bei uns auf der Straße liegt. Das sind doch paradiesische Zustände.“
Mehr Lust auf eigene Früchte
Schade nur, dass die Segnung oft niemand will, sagt Riedel. Niedrige Annahmepreise verleiden das Aufsammeln und Pflücken, meint er. Folge: Die alten Streuobstwiesen werden nicht mehr gepflegt, mit ihnen verschwindet Lebensraum, auch für seltene Tierarten.
Der Quohrener Riedel, von Haus aus Spielplatzbauer, und sein Kompagnon Andreas Wegener, Biologe, wollen mit ihrer mobilen Saftpresse wieder Lust aufs eigene Obst machen. Die Maschine kommt – anders als die Kelterei – möglichst nahe zum Produzenten. Und der presst aus den eigenen Früchten seinen eigenen Saft. „Zugucken und mitmachen, das bringt Spaß“, sagt Uwe Riedel.
Erster Arbeitsgang in der kleinen Saftfabrik ist die Obstreinigung. Das passiert auf dem Förderband mittels Hochdruck. Die sauberen Früchtchen werden in der Rätzmühle zu Maische verwandelt, der Brei in mehreren Lagen auf die Presse gestapelt und langsam ausgequetscht. Etwa fünfzig Liter Saft gibt eine Pressung her. Der Brenner erhitzt die Ausbeute anschließend und sorgt für schonende Pasteurisierung. Der Saft ist nun haltbar und wird in Plastikschläuche und stabile Pappboxen verpackt.
Etwa ein Dutzend Tage ist die Paradies-Presse erst im Einsatz. Unter anderem besuchte die Mannschaft das Bielatal, Reichenau und Ehrenberg. Die Resonanz, so berichtet Andreas Wegener, ist durchweg positiv. „Bei jeder Aktion bekommen wir mindestens zwei neue Anfragen“, sagt er. Dabei spielen auch die moderaten Gebühren eine Rolle. Pro Liter kassieren die Saftpresser 61 Cent netto. „Wem die Ladenpreise für guten Saft zu teuer sind“, sagt Andreas Wegener, „für den ist das eine echte Alternative.“
Idealisten schustern Geld zu
Vor den Äpfeln wurde viel Knete in die Saftpresse gesteckt. Rund 60 000 Euro kostete die Anschaffung. Vierzig Prozent davon sind Fördergeld von Leader Plus, einem EU-Programm zur Förderung des ländlichen Raumes. Den Löwenanteil finanziert das Duo privat oder über stille Teilhaber, die später was vom Gewinn abkriegen. Auf eine Goldgrube setzen diese Förderer nicht, erklärt Uwe Riedel. „Wer sich hier engagiert, bringt Idealismus mit.“
Eingebracht hat sich zum Beispiel der hiesige Landschaftspflegeverband mit 5 000 Euro. Verbandschef Bernd Hänel ist überzeugt, dass die Maschine beim Erhalt der Streuobstwiesen helfen kann. „Schutz durch Nutz ist das Beste“, sagt er. Nun müsse sich die Aktion nur noch eine feste Logistik aufbauen, meint Hänel, „genau wie die Bäcker- und Fleischerautos“.