Von Madeleine Siegl-Mickisch
Zeit für ein ausgedehntes Frühstück mit allem Drum und Dran bleibt Annette und Michael Juros derzeit nicht. Denn wenn andere die besinnliche Vorweihnachtszeit genießen, herrscht für sie Hochbetrieb. An sieben Tagen in der Woche öffnen sie auf dem Bautzener Weihnachtsmarkt ihre beiden Stände, zum elften Mal sind sie nun schon dabei. Auf der Reichenstraße schenken sie unter anderem hausgemachten Glühwein aus, am Reichenturm ist der Hexenglühwein der Renner. Dahinter verbirgt sich ein altes Rezept von 1686, das Michael Juros beim Stöbern im Stadtarchiv fand. Denn er begibt sich gern auf die Spuren der Geschichte des Bautzener Weinbaus. Schließlich baut er seit zwölf Jahren selbst welchen an.
Dabei konnte er dem Rebensaft einst eigentlich gar nichts abgewinnen, erinnert sich der 41-Jährige an seine ersten Geschmackserlebnisse mit dem zu DDR-Zeiten handelsüblichen Wein. Und eher Hochprozentiges fällt einem zu Juros’ ursprünglichen Beruf ein – nach der Schule lernte er Bergmann in Altenberg. „Eigentlich wollte ich ja zur See, aber das hat mir meine Mutter ausgeredet. Da habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht“, erzählt der Bautzener, der damals Mineralien sammelte.
Doch im Erzgebirge hielt es ihn nicht lange, er wechselte bald zur Wismut nach Dresden und später in den Steinbruch nach Oberkaina – um Annette näher zu sein. Beim Tanz in Kubschütz hatten sich die beiden kennengelernt. Schon 1988 hängte Michael Juros die Bergmannskluft an den Nagel – denn obwohl ihm der Beruf eigentlich Spaß machte, war es doch ein Knochenjob. Da ebnete ihm der Zufall den Weg in die Selbstständigkeit: In der „Krone“, damals „Stadt Bautzen“, wurde jemand gesucht, der die Toiletten bewirtschaftete. Bis zur Wende lief das Geschäft, dann gab’s kaum noch Kundschaft, weil plötzlich keine Betriebsvergnügen und sonstige Großveranstaltungen mehr stattfanden. Michael Juros versuchte sich mit einem Imbisswagen, bis er 1993 als Außendienstmitarbeiter eines Getränkevertriebs anfing. Beim Weinverkosten unter fachkundiger Anleitung kam er auf den Geschmack.
Erste Versuche machen Mut
Kurze Zeit später eröffnete er seinen eigenen Weinhandel. Und auch als er seinen ersten Laden hinterm ehemaligen Hochhaus wegen ausbleibender Kundschaft schließen musste, blieb er dem Wein treu. An verschiedenen Standorten startete er weitere Versuche, zwischendurch absolvierte er noch eine Ausbildung zum Restaurantfachmann und arbeitete kurzzeitig sogar im bekannten Dresdner „Pattis“. – Als der alte Rebstock am Haus der Schwiegereltern in Baschütz so viele Trauben trug, dass sie keiner essen konnte, probierte er, selbst Wein herzustellen. Bei einer Geburtstagsfeier ein paar Monate später wurde das Ergebnis gekostet – und ermutigte Juros weiterzumachen. Bald setzte er die ersten Reben auf einem historisch verbürgten Bautzener Weinberg zwischen Schützenplatz und Gerberstraße. Nach und nach kamen weitere dazu, so am alten Bautzener Weinberg und am Kupferhammer.„Bei der Gartenarbeit und im Weinkeller kann ich wunderbar abschalten“, schwärmt Juros, der gern probiert und experimentiert – auch auf die Gefahr hin, dass mal ein Wein zu Essig wird. Bei kleinen Mengen sei das verkraftbar. Umso mehr freut er sich natürlich über anerkennende Worte österreichischer Profi-Winzer, denn bei den regelmäßigen Reisen nach Rust am Neusiedler See sind meist auch ein paar Flaschen Juros-Wein zum Verkosten im Gepäck.
In den letzten Monaten war Michael Juros mehr dort als in Bautzen, hat wieder mal in einem Restaurant gearbeitet. Da längst die ganze Familie vom Wein-Virus infiziert ist, brauchte er sich um seine Reben trotzdem keine Sorgen zu machen. Eltern und Schwiegereltern rückten dem Unkraut zu Leibe. Und Annette hat sich darum gekümmert, dass keins der Feste, zu denen sie ihren Weinstand aufbauen, ohne Bautzener Wein über die Bühne gehen musste. Seit Freitag schenkt sie auf dem Weihnachtsmarkt die heiße Variante aus. Auch Tochter Jennifer und Bekannte helfen. Michael Juros kann diesmal nur zeitweise mitmachen, denn vor drei Wochen hat er in Österreich eine Ausbildung zum Winzer begonnen. Aus dem Hobby ist längst ein(e) Beruf(ung) geworden.