Von Marina Michel
Seit zwei Jahren feiert am Ostersonntag einer der wohl seltsamsten Bräuche im 1001-jährigen Bautzen fröhliche Urständ: das „Eierschieben am Protschenberg“. 2001 hat der Verkehrs- und Tourismusverein Budysin diese Tradition neu belebt.
Rund 40 Meter erhebt sich der Protschenberg gegenüber der Ortenburg aus dem Tal. Schon um 1550 soll es dort das „Eierrollen“ gegeben haben. „Allerdings sind es heute Bälle statt Eier, Äpfel oder Apfelsinen, die von den Erwachsenen den Kindern am Fuße des Hügels zugeworfen oder -gerollt werden“, erklärt Maria Löcken-Hierl, Vorsitzende des Vereins Budysin und im Alltag Gastwirtin. Die Bälle kann man zuvor zu einem kleinen Obolus kaufen und nach erfolgreichem Fang gegen Preise eintauschen.
Kein Verbot oder Unterbrechungen in Kriegszeiten haben das beliebte Volksvergnügen auf Dauer unterbinden können. Zuletzt ist das Eierschieben 1967 als „schlechte Tradition“ abgetan und untersagt worden. Daran hatten auch Einsprüche prominenter sorbischer und deutscher Kulturvertreter nichts ändern können.
Den„Eierjockel“ hat
es wirklich gegeben
Erst ein Faltblatt des Sorbischen Museums 1997 gab den Anstoß für eine Neuauflage des Vergnügens. Über das Echo des zweiten Eierschiebens im vergangenen Jahr waren die Organisatoren trotzdem überrascht: 20 000 Besucher waren zum Protschenberg gekommen und verursachten etwas Chaos.
Das soll dieses Jahr anders werden. So wird Heiko Harig als „Eierjockel“ ordnend und moderierend ins Geschehen eingreifen. Das Spektakel selbst wird Schlag 12 Uhr von Oberbürgermeister Christian Schramm (CDU) eröffnet. Danach wird es auf der Bühne neben der Kapelle am Protschenberg ein Programm des Sorbischen National-Ensembles geben. Das Kindervergnügen liegt damit zwischen Ausritt und Heimkehr der Bautzener Osterreiter.
Legendäre Erfolge hatte das Eierschieben vor dem Zweiten Weltkrieg. Laut Stadtarchiv sollen 1932 rund 40 000 Menschen gekommen sein, darunter 1 000 Fahrzeuge einer ADAC-Strahlen- und Plakettenfahrt. Die weiteste Strecke: Paris–Bautzen. 1933 informierten Rundfunksendungen und die drei großen deutschen Filmgesellschaften über die Bautzener Osterbräuche. Neben Eierschieben und Osterreiten spielte auch der „Eierjockel“ eine Rolle. „Der hat tatsächlich gelebt“, weiß Peter Giebelhäuser vom Altstadtverein. Andreas Zieschang, so sein richtiger Name, stammte aus Cölln bei Kleinwelka und galt als sorbischer Sonderling. Mit Henkelkörben lief er von Haus zu Haus und verkaufte Eier und Tauben. 1907 starb er im Alter von 77 Jahren. (dpa)