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Aufregung um Landverkauf

Die Bärensteine bei Struppen wurden unlängst klammheimlich verkauft. Die Gemeinde ist stinksauer. Über die Nutzung des Areals durch Privatleute gibt es bislang nur Vermutungen. Die Bärensteine selbst sind geschichtsträchtige Brocken.

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Von Gerhard Kowitzke

Die Waldungen mit dem Großen und Kleinen Bärenstein befinden sich seit kurzem in Privatbesitz. Wieder einmal. Denn schon am 1. Mai 1914, Wochen vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges, hatte den Grund und Boden eine Persönlichkeit von Rang und Namen erworben. Für 550 000 Mark. Aus einer vom sächsischen Kriegsministerium verwalteten Stiftung heraus. Dieser Transaktion beunruhigte damals vor allem die nahe gelegenen Gemeinden. Die Sebnitzer Tageszeitung „Grenzblatt“ beschäftigte sich im Juli genannten Jahres mehrmals mit den Sorgen und Ängsten der Allgemeinheit.

„Die Gemeinden Wehlen, Pötzscha, Königstein, Rathen, Weißig, Struppen, Obervogelgesang und andere haben bei der sächsischen Regierung und beim sächsischen Landtag wegen des Verkaufs des Großen und Kleinen Bärensteins und der dazugehörigen großen Waldungen an den Legationsrat Freiherrn von Biedermann auf Rittergut Thürmsdorf Beschwerde eingelegt. Sie haben darauf hingewiesen, dass Freiherr von Biedermann seit seiner Erwerbung des Ritterguts Thürmsdorf systematisch in der dortigen Gegend kleine Bauerngüter und sonstigen Grund- und Waldbesitz aufgekauft hat.

Die davon betroffenen Gemeinden erblicken darin eine wirtschaftliche Benachteiligung, zumal sie nach wie vor befürchten, dass bei einer etwaigen Sperrung der dem Freiherrn gehörenden Waldgebiete der Wander- und Fremdenverkehr, der für viele Gemeinden seit Jahren eine Quelle wirtschaftlichen Nutzens gewesen ist, schwer benachteiligt wird ...

Oberste Behördensollten schlichten

Die sächsische Regierung hat zur Verfolgung dieser Angelegenheit eine Konferenz einberufen und hierzu außer den Vertretern des Kriegsministeriums und des Ministeriums des Innern, den Oberforst- und landwirtschaftlichen Behörden auch die sämtlichen Bürgermeister ...“ Auf dieser Konferenz wurde festgelegt, dass die Haupttouristenwege durch das Bärensteingebiet öffentlich bleiben sollen. In der mehrstündigen Debatte legten die Vertreter der Gemeinden dem Regierungsvertretern Material vor ...

„Darin wurde festgelegt, dass Freiherr von Biedermann in den letzten sechs Jahren unter anderem in der kleinen Gemeinde Weißig fünf, in Struppen vier und in Thürmsdorf gegen 20 Güter beziehungsweise größere Parzellen zur Abrundung seines Thürmsdorfer Besitzes aufgekauft hat. In den übrigen Gemeinden liegen die Verhältnisse so, dass das Kriegsministerium für die „Struppener Stiftung“ Gelände aufgekauft, dies aber inzwischen durch den Bärensteinvertrag und andere Verkäufe an den Freiherrn von Biedermann abgetreten hat ...“ So half die sächsische Regierung anfangs des vergangenen Jahrhunderts einem ihrer Legationsräte, seinen Grundbesitz zu erweitern, abzurunden. Für die Beteiligten beziehungsweise Betroffenen war die Angelegenheit damit zunächst abgeschlossen. Im Zusammenhang mit der Bärenstein-Affäre kam das „Grenzblatt“ aber zu einigen bemerkenswerten Einsichten und Schlüssen: „Es bleibt ein starkes Gefühl des Unbehagens zurück. Das Volk sträubt sich mit Recht dagegen, dass ein einzelner mit Unterstützung der sächsischen Staatsbehörde verlangend seine Hand nach einem waldgekrönten Felsenleib ausstrecken und seinen persönlichen Ehrgeiz befriedigen kann an einem Berge, der in seiner Schönheit das Entzücken ungezählter Tausender bildet ...

Wir können nur hoffen, dass sich ein solcher Vorgang nicht wiederholen wird und dass das Schreckgespenst der käuflichen Berge in Sachsen ebenso schnell verschwindet, wie es aufgetaucht ist. Man kann schließlich nicht mit einem Federstrich allgemeine Menschheitsgüter konfiszieren, die in ihrer ganzen Schönheit unser aller Eigentum sind und bleiben.“ Unser aller Eigentum! Nun, man konnte die Redaktion des „Grenzblatt“ durchaus nicht bezichtigen, umstürzlerisches, gar sozialistisches Gedankengut zu verbreiten. Doch die Hoffnungen waren ja wohl auch nur demokratisch und christlich zugleich, dass nämlich die Schätze und Schönheiten dieser Erde alle Menschen genießen dürfen sollten. Die Voraussetzungen dafür sind seitdem leider nicht besser, die Warenwelt auf dem Globus unerhörter und exotischer geworden. Die Waldungen mit den Bärensteinen gehören heute schon fast in den Schlussverkauf.

Besitzerwechsel endetedennoch versöhnlich

Damals, im Sommer 1914, endete die Erregung um den Besitzwechsel also versöhnlicher als erwartet. Denn schon vor genannter Konferenz hatte Legationsrat von Biedermann nach einer Besprechung mit dem Königlich Sächsischen Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten durch den Rechtsanwalt Dr. Weise unter anderem öffentlich verkünden lassen: Er habe die Waldungen vor dem Zugriff von Spekulanten bewahren wollen, die vor allem Holzeinschlag, Bodenzerstückelung und möglicherweise Steinbruchbetrieb im Sinne hätten. Und damit das schöne Landschaftsbild zerstören.

Er, Biedermann, sichere zu, dass es bei der bisherigen Zugänglichkeit der Bärensteinwälder auch in Zukunft bleiben solle. – Ein Konsens mit der Allgemeinheit, der auch nach einem knappen Jahrhundert noch bedenkenswert erscheint.