Von Heike Sabel
Eine bunte Zeitschrift flatterte jetzt allen Mitgliedern der Volkssolidarität ins Haus. Früher hieß sie „Spätsommer“, nun „Ihr Journal“. Aber nicht nur der Name hat sich geändert. Zwischen den bunten Bildern verbirgt sich eine böse Überraschung: Zum 1. Januar steigt der Monatsbeitrag von einem auf zwei Euro, also um das Doppelte. Viele sind von der Nachricht so überrascht wie empört. Oft wissen die Kassierer und Ortsgruppenvorsitzenden gar nicht, was sie den Mitgliedern sagen sollen.
Ohne Beschluss kein Erhöhen
„Klar, wird das Geld überall weniger“, sagt Frau Bieler, die Leiterin der Volkssolidaritäts-Gruppe in Heidenau. Aber das von den alten Leuten zu holen, das wird wohl nichts, ahnt sie. Auch Vereinsmitglied Emma Weiß aus Köttewitz gehört zu den Verweigerern. Sie sagt entschieden: „Mit mir nicht.“ Die 83-Jährige ist sehr enttäuscht und traurig. „Wie man mit uns alten Leuten umgeht, das wird doch immer schlimmer, und dann wollen sie noch mehr Geld, nein.“
„Die können uns doch nicht einfach eine Zeitung schicken und uns so vor vollendete Tatsachen stellen, das hat doch keiner gewusst“, sagt Siegrid Michel. Sie ist in Dürrröhrsdorf-Dittersbach die Ansprechpartnerin für den Verein. Die meisten werden wohl austreten, befürchtet auch sie.
Genau das will die Vereinsspitze natürlich verhindern. So schimpft denn auch Kreisvorsitzender Reinhart Schulze: „Das klingt doch sehr nach DDR-Manier, die oben beschließen was, und wir sollen‘s machen.“ Der Rathewalder will sich umgehend an den Bundesvorstand wenden. Schließlich sei der Kreisverband Sächsische Schweiz juristisch selbstständig. „Wir treffen alle Entscheidungen, auch die zu den Mitgliedsbeiträgen, selbst.“ Eine Anhebung erfordert einen Beschluss. Den gibt es nicht. Also bleibe alles, wie es ist.
Vonwegen nichts gewusst. Das lässt Bundesgeschäftsführer Bernd Niederland nicht gelten. Er ist verwundert über den Aufstand in der Sächsischen Schweiz. Schließlich habe der Bundesverein schon 1999 die Anhebung mit einer Übergangszeit bis Ende 2004 beschlossen. Und weil die Volkssolidarität nach dem Vereinsrecht ein Gesamtverein sei, gilt jeder Beschluss des Bundes für alle, erklärt Niederland. Zudem hätte man ja über vier Jahre Zeit gehabt, es in den Ortsgruppen zu erklären. Den letzten beißen also die Hunde.
Auch das weist Berlin von sich. „Der Hauptprofiteur bleibt die Ortsgruppe.“ Die nämlich kann im Schnitt über die Hälfte der Mitgliedsbeiträge verfügen. In der Sächsischen Schweiz sind es sogar 60 Prozent. Und 60 Prozent von zwei Euro sind eben absolut mehr als von einem Euro. Außerdem seien die allgemeinen Teuerungen auch an der Volkssolidarität nicht spurlos vorbei gegangen. Als dritten Grund nennt Niederland die Betreibung von Begegnungsstätten und sozialen Diensten. Es gibt im Landkreis aber keine solche Begegnungsstätte mehr. Die in Pirna und Heidenau schloss die Volkssolidarität, in Heidenau führt der Frauenbund sie nun weiter.
Neuer Verein als Alternative
Ihre eigene Antwort auf die Erhöhung hat Ingeborg Müller gefunden: „Ich zahle den alten Beitrag weiter, dann müssen sie mich eben ausschließen.“ Der Wilschdorfer Vorsitzenden des noch bestehenden Seniorenbeirates im Kreis geht es ums Prinzip. „Der kleine Mann hat doch nicht mehr Geld in der Tasche und will das nicht zahlen.“
Gemeinsam mit Siegrid Michel hat sie schon über eine Idee nachgedacht: Einen Verein gründen, der sich vor Ort um die alten Leute kümmert und Hilfe untereinander organisiert. Dann zahlen die Leute auch mal einen Euro mehr, ist Ingeborg Müller überzeugt. Auf jeden Fall spricht sie das Thema Volkssolidarität in der letzten Sitzung des Beirates am 23. Februar an. Er soll dann in eine Vertretung umgewandelt werden. Seine erste Aufgabe hat er damit schon.
Schulze und Kreisgeschäftsführer Dietmar Retzler indes sind um Schadensbegrenzung bemüht. „Erst nach Diskussion und Beschluss in der Mitgliederversammlung 2006 ist eine Entscheidung zu höheren Beitragen bei uns möglich“, sagen sie.