Von Antonia Lange und Nico Pointner
Es geht um lukrative Sparverträge und verärgerte Kunden: Seit eineinhalb Jahren streitet die Ulmer Sparkasse mit Anlegern über ein gut verzinstes Anlageprodukt. Die Bank wollte Tausende Kunden aus den sogenannten Scala-Verträgen herauslocken – zu Unrecht, wie das Landgericht Ulm bereits im Januar entschied. Da das deutsche Recht in diesem Fall keine Sammelklage vorsieht, muss jeder Fall einzeln vor Gericht verhandelt werden. Gestern war wieder Verhandlung. Und das Gericht machte klagenden Sparern Hoffnung.
Was ist passiert?
Stein des Anstoßes sind rund 22 000 sogenannte Scala-Verträge. Diese hatte die Sparkasse Ulm zwischen 1993 und 2005 mit ihren Kunden abgeschlossen. In Zeiten niedriger Zinsen sind sie für das Geldhaus allerdings eine Last. Mit Alternativen wollte die Bank Kunden daher zuletzt aus den gut verzinsten Verträgen locken – ansonsten drohte die Kündigung.
Wie haben die Kunden reagiert?
Etwa 14 000 Kunden gingen auf Alternativangebote ein – wohl auch aus Angst, am Ende sonst noch schlechter dazustehen. Etwa 4 000 Sparverträge sind für die Bank ohnehin unproblematisch, weil sie entweder bald auslaufen oder nur mit niedrigen Beträgen bespart werden. Weitere 4 000 Kunden setzten sich aber gegen den Wechsel zur Wehr. Der Ulmer Rechtsanwalt Christoph Lang vertritt nach eigenen Angaben derzeit mehr als 60 Sparer. Ihm zufolge sind 40 Verfahren anhängig.
Worum geht es konkret?
Im Scala-Streit soll im Kern geklärt werden, ob die Bank die Verträge kündigen kann. Zudem geht es darum, ob die Sparkasse Kunden eine Erhöhung der monatlichen Sparraten zu Recht verweigerte – und ob der variable Grundzins in den Verträgen richtig festgelegt wurde.
Wie geht es jetzt weiter?
Das Landgericht Ulm entschied bereits im Januar, dass die Sparkasse die hoch verzinsten Verträge nicht einfach kündigen darf. Die Sparkasse will sich aber gegen das Urteil wehren und legte Berufung beim Stuttgarter Oberlandesgericht (OLG) ein. Im Herbst soll in Stuttgart verhandelt werden. Parallel laufen Verfahren weiterer Kläger vor dem Ulmer Landgericht. Jeder Fall wird einzeln verhandelt. Rechtsanwalt Lang warnt: „Es könnten 22 000 Verfahren drohen.“
Was wurde gestern verhandelt?
Gestern ging es vor dem Gericht um die Frage, ob der variable Grundzins bei sogenannten Scala-Sparverträgen in einem absoluten oder relativen Verhältnis zu einem Referenzzins gekoppelt sein muss. Die Kläger fordern einen relativen Zinsbezug, weil die Zinsen ihrer Auffassung nach sonst ins Minus rutschen könnten. Auch die Kammer sprach sich für ein relatives Verhältnis aus. „Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eindeutig, da sehen wir wenig Spielraum“, sagte die Richterin. Am 7. August soll das Urteil in dieser Sache fallen.
Was würde es bedeuten, wenn die Bank gar nicht kündigen darf?
Dann könnten zumindest die Scala-Sparer aufatmen, die auf ihre alten Verträge bestehen. Spannend ist, inwieweit die Sparkasse den Tausenden Kunden, die bereits in andere Verträge gewechselt sind, entgegenkommt. Auch unter ihnen gibt es Kläger. Die Sparkasse hat bereits mehreren klagenden Anlegern erlaubt, in die alten, hoch verzinsten Verträge zurückzukehren.
Hat der Fall Signalwirkung?
Noch hat der Scala-Streit vor allem regionale Bedeutung. Der Rechtsstreit könnte aber immer mehr Klagen von Scala-Sparern nach sich ziehen. „Wenn das Urteil vom Oberlandesgericht kommt, hat das sicher Signalwirkung“, sagt ein Gerichtssprecher. „Und falls andere Banken entsprechende Verträge haben, werden die sicher auf das Urteil schauen.“ Sollte das Oberlandesgericht Rechtsmittel zulassen, könnte es bis zum Bundesgerichtshof gehen – was ein Urteil mit bundesweiter Bedeutung nach sich zöge. (dpa)