Von Hans-Werner Gebauer
Der Julivortrag, der 24. zur Stadtgeschichte Radebergs, stand unter dem Thema „Strohaufkauf durch August Walther und Sohn“ und war der Entwicklung von Handel und Gewerbe vor 100 Jahren in der Stadt an der Großen Röder gewidmet. Hans-Werner Gebauer informierte an Hand umfangreicher Auswertungen von Handelsregistern und den damaligen Veröffentlichungen über einer Vielzahl von Facetten des Radeberger Gewerbes.
Konkurs der Glashütte und seine Auswirkungen
Zum Beginn wurden die Auswirkungen des Konkurses der „Vereinigten Radeberger Glashütten“ an der heutigen Dresdener Straße beleuchtet. So wurden z. B. die Werkswohnungen in Mietwohnungen umgewandelt, das Werksgelände zerschlagen und fast 400 Arbeiter arbeitslos. Dies war der erste größere Fabrikenkrach in Radeberg. Im Sog der Pleite gingen auch die Glashandlung Wetzel und Hirsch und der zentrale Strohaufkauf der Glasfabriken in Konkurs. Während letztere Aufgabe nunmehr jener August Walther übernahm, ging das Glashandelsgeschäft an ein Konsortium über.
Doch es kam auch in jenen Tagen zu industriellen Erweiterungen. So stellte die Firma Wagenknecht zur Produktion ihrer Kokosteppiche weitere 37 Frauen ein. Die Firma hatte neue Aufträge für Uruguay, Kolumbien und Mexiko zu bearbeiten. Zu Erweiterungen kam es auch im Eisschrankwerk im Eschebachgelände und durch die Neugründung der Feilenhauerei Zwiebel und Jaenicke sowie der Radeberger Sächsischen Packungsindustrie auf der Friedrichsstraße.
Vielfach waren zu allen Zeiten Veränderungen im Handel. Während 1903 im Geschäft Oberstraße 1 ein Krawatten - und Herrenausstatter einzog, eröffnete im heutigen Grundstück Rathenaustraße 3 ein weiteres Fotofachgeschäft. Carl Hempel auf der Oberstraße 32 profitierte vom Konkurs der Stroh- und Filzhutproduktion Swatek und Groß. Er kaufte die gesamte Konkursmasse und erweiterte sein Angebot. 332 Einzelhandelsgeschäfte und weitere fast 200 Gewerbeanmeldungen hatte Radeberg im Sommer 1903.
Auch Gaststätten
machten dicht
Zum Schluss ging der Referent auf die damalige Situation im Gaststättengewerbe ein. Wer kennt heute noch Gaststätten mit den Namen „Zum Burgkeller“ und „Zum Vater Jahn“? Beide hatten ihr Domizil auf dem Freudenberg und waren Neugründungen. Zwei Konkurse waren damals in aller Munde. So ging das mit viel Aufwand errichtete „Feldschlößchen“ an der Straße nach Seifersdorf in Konkurs, da es wohl zu abseits lag. Im Stadtgebiet schlossen die Gaststätte und die Kegelbahn „Zum Kronprinzen“ ihre Pforten. Die Witwe Merz sah sich nicht mehr in der Lage, das mit 49 475 Mark Schankkonzession dotierte Haus zu führen. Einige Jahre stand dann das Etablissement leer, bevor es 1907 als „Amtshof“ öffnete. Interessant auch die Bedingungen in „Kaisers Restaurant“, mit dem noch heute bekannten Gasthaus Demmler identisch. Hier hielten die Gäste 20 Prozent der Geschäftsanteile, eine damals seltene Art von Beteiligungen.