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„August würde nicht gern neben Platten stehen“

Künftig will sich die Gesellschaft historischer Neumarkt auch dem Neustädter Markt widmen. Aber ohne Rekonstruktionen, erklärt Vorstand Torsten Kulke.

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Herr Kulke, wenn August der Starke heute nicht nur in Form des Goldenen Reiters, sondern leibhaftig auf dem Neustädter Markt stünde: Was würde er zum Zustand des Platzes sagen?

Der Neustädter Markt vor 1945: Barocke Bürgerhäuser, wie das Neustädter Rathaus mit dem kleinen Türmchen (Bildmitte), umgeben den Goldenen Reiter Repro: Holger Naumann
Der Neustädter Markt vor 1945: Barocke Bürgerhäuser, wie das Neustädter Rathaus mit dem kleinen Türmchen (Bildmitte), umgeben den Goldenen Reiter Repro: Holger Naumann

Er würde wohl ziemlich enttäuscht dreinschauen. Es war sicher nicht das Ansinnen Augusts, umringt von Plattenbauten und einer Fernverkehrsstraße zu stehen.

Was ist das größte Übel an dem Platz? Die teils unsanierten Plattenbauten oder die teils sechsspurige Große Meißner Straße?

Es ist das problematische Gesamtbild des Platzes, dessen Ursprung in den 60er-Jahren liegt. Das hat mit der damaligen Vision der autogerechten Stadt zu tun. Es gab zum Beispiel Pläne für eine Hochbahn über den Albertplatz, die Gott sei Dank nicht umgesetzt wurden. Beim Neustädter Markt ist die Vision aber Wirklichkeit geworden. Dabei standen nach 1945 die ausgebrannten Blockränder noch. Und sie wurden zunächst auch gesichert unter der Maßgabe des Wiederaufbaus. Aber in einer Nacht- und Nebelaktion sind die Gebäudereste beseitigt worden. Die Große Meißner Straße wurde verbreitert, die Platten gebaut und der historische Grundriss missachtet.

Warum aber widmen Sie sich gerade dem Neustädter Markt? Mit Post-, Ferdinand- oder dem Pirnaischen Platz gibt es viele einst prächtige Plätze, die heute wenig einladend und urban sind.

Weil er nach Alt- und Neumarkt der wichtigste Platz in Dresden ist. Direkt dahinter haben wir mit dem Barockviertel ein großes Stück erhaltene Bausubstanz. Wir wollen, dass die Verbindung zwischen Neumarkt und Barockviertel wiederhergestellt wird. Dadurch würde auch die Innere Neustadt mehr belebt werden, wie sie es nach der großen Sanierungswelle in den 90er-Jahren schon einmal war.

Soll das mit einem rekonstruierten Neustädter Markt funktionieren, ähnlich wie am Neumarkt?

Nein, wir reden hier nicht über eine Rekonstruktion im großen Stil, sondern über heutige Architektur. Unsere Hoffnung ist aber, dass dabei an die Wurzeln der Dresdner Bürgerhäuser angeknüpft wird.

Also keine Rekonstruktionen, auch nicht des Neustädter Rathauses?

Das ist nicht unser primäres Ziel. Aber wir wollen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass es künftige Generationen machen könnten.

Einer Rückkehr zum historischen Grundriss steht neben den Platten auch die Großen Meißner Straße im Weg ...

Keine Frage, die Straße muss schmaler werden. Nur handelt es sich hier eben um eine wichtige Ost-West-Achse mit täglich 35 000 Fahrzeugen. Wenn man es schaffen würde, diese Zahl zu reduzieren, könnte man die Straße zweispurig umbauen. Es müssten die Voraussetzungen geschaffen werden, dass Autofahrer diesen Bereich umfahren.

In einem Rahmenplan für die Innere Neustadt hat sich die Stadt auch die Rückkehr zu den historischen Grundrissen zum Ziel gesetzt. Wie bewerten Sie den Einsatz der Verwaltung?

Man merkt schon, dass der Stadt langfristig an einer Aufwertung des Platzes gelegen ist, zum Beispiel durch die geplante Beseitigung des Fußgängertunnels. Sie bemüht sich ja auch um den Durchbruch vom Neustädter Markt zur Rähnitzgasse.

Jene Gasse wird durch die Platten versperrt, die seit dem Verkauf der städtischen Woba nun der Gagfah gehören. 2011 hat die Stadt das Unternehmen verklagt, um kurz danach über den Abriss zu verhandeln. Da hat sich die Stadt nicht unbedingt geschickt angestellt ...

Das passiert ihr ja öfters, wenn man zum Beispiel an das Hotel am Terrassenufer denkt (Anm.: Die Stadt verlor den Rechtsstreit mit den Eigentümern um den Abriss). Es ist aber im Moment durchaus eine Gesprächsbereitschaft bei der Gagfah zu spüren. Geld wird sie aber kaum in die Hand nehmen. Das muss die Stadt selbst tun.

Immerhin scheinen die Parteien den Platz für sich entdeckt zu haben. Grüne und FDP wollen ihn jeweils per Antrag aufwerten. Nur Wahlkampfgetöse?

Wichtig ist erst einmal, dass die Politik hier Handlungsbedarf erkannt hat. In welche Richtung sich das entwickelt, wird sich zeigen. Es geht im Moment darum, überhaupt in eine Diskussion zu kommen, wie sich der Neustädter Markt entwickeln soll. Es wird sicher zehn, 15 Jahre dauern, bis es Pläne gibt, die umgesetzt werden können.

Ist Ihr Ziel dabei eine Gestaltungssatzung für den Neustädter Markt, wie es sie auch für den Neumarkt gibt?

Wir haben ja derzeit nur den Rahmenplan, der bloß eine Leitlinie für die Verwaltung ist. Das halte ich in solch einem sensiblen Gebiet, das es wirtschaftlich und touristisch zu fördern gilt, für nicht vertretbar. Es wäre zu wünschen, wenn es eine Gestaltungssatzung für die Innere Neustadt geben würde. Unter der Maßgabe, sich am Bestand des Viertels zu orientieren. Und damit meine ich nicht die Plattenbauten.

Zum Abschluss: Welchem Platz widmen Sie sich nach Neumarkt und Neustädter Markt als Nächstes?

Keinem. Wir hätten dann unser Ziel, für das sich der Verein gegründet hat, erreicht.

Das Gespräch führte Tobias Hoeflich.

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