Von Kristin Anacker
Die Halbbrille trägt er, wie man es Professoren nachsagt: auf der Nasenspitze. Gäste bittet Karl-Heinz Kloppisch an einen kleinen Tisch in der Ecke des Büros, man sitzt inmitten von Papierstapeln, auch das erinnert an eine Konsultation an der Universität. Der 52-Jährige spricht ausführlich über seine Arbeit, engagiert und immer mit einem fragenden Blick über den Brillenrand: ob er beim Gegenüber Vorwissen voraussetzen kann? „Wissen Sie, dass die Urania keine Erfindung der DDR ist?“ Er beginnt sofort im Stoff.
Professor ist er nicht — ein Institut mit Bildungsauftrag leitet auch er. Kloppisch ist Geschäftsführer des Urania Vortragszentrums e.V., der 206 aktive Mitglieder, jedoch nur einen Hauptberuflichen zählt: ihn. Der Verein kam ohnehin später als Kloppisch zur Urania. Vielmehr durch ihn.
In den Wirren der Wende hat er in Marktwirtschaftskursen der Urania selbst gut zugehört: Binnen eines halben Jahres erarbeitete er Vereinskapital und letztlich sein Gehalt, das zuvor die DDR-Massenorganisation gezahlt hatte.
Urania als Lebensmission
Gern lässt man sich fangen in der Geschichte der Urania, deren Berliner Organisation im März 2006 von der Bundesregierung als „Urmutter aller Bühnen populärer Wissensvermittlung“ geehrt wurde. Obwohl Kloppisch mehr erklärt, als dass er erzählt: 1888 die Geburtsstunde als Sternwarte und Physikkabinett, der Untergang in den 20ern, der Neustart in West- und Ostberlin in den 50ern, die Tricks, die in der DDR nötig waren, um die kurzfristig verbotene Veranstaltung „Stirbt der Wald wirklich“ doch noch anzubieten: „Umbenennen. Ein paar Monate später wurde sie unter dem Titel ,Die Zukunft unserer Wälder’ angekündigt“, sagt Kloppisch schmunzelnd.
Die 80er waren die Jahre, in denen er dem Urania Vortragszentrum seine Handschrift verlieh, nachdem er, gerade 30 geworden, 1982 deren Leitung übernommen hatte. Glanzlichter waren die „Elbgespräche“, ein wohl strukturierter Vorläufer des Riverboats, und „Simultanwissenschaften live“ — zwölf Experimente und Diskussionen gleichzeitig auf drei Etagen mit anschließender Disko.
Privates gibt er nur spärlich preis. Einmal im Jahr gönnt er sich ein Wochenende Schmökern, zuletzt in Kazantzakis' „Die letzte Versuchung“. Nichtstun liegt Kloppisch am Wenigsten auf der Welt. Schon sein Pensum neben dem Studium der Energietechnik in Freiberg kann nur ein Workaholic bewältigt haben: Kulturarbeit der Seminargruppe, Konzertansagen im Studentenclub, einen Schreibzirkel hat er gegründet, einen Theaterclub auch. Heute muss Kloppisch die meiste Zeit seines 14-Stunden-Tages organisieren, wie ein moderner Hochschullehrer eben.
„Kunststrecke und Technikflanke“ interessieren ihn selbst noch immer bei den Vorträgen, Exkursionen und Bildungsreisen, die er alle nahezu allein vorbereitet, etwa 100 im Jahr. In einer Drewag-Ausstellung sah er kürzlich als Museumsstück einen Klappenschrank, den er gut kennt: Mit so einem Teil hat er jeden Winkel des Elternhauses telefonisch verkabelt. Die Leitungen hat er vermutlich schnell zwischen Mathe-Hausaufgaben, Lektüre und Abendbrot verlegt.
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