Von Madeleine Siegl-Mickisch
Buchhalter gelten als akribisch. Das trifft wohl auch auf Siegfried Casper zu. Doch diesmal sind es keine Zahlen, die er sorgfältig unter die Lupe nimmt. Nein, sein kritischer Blick gilt den Andruckseiten für sein Buch. „Mit manchen Farben bin ich nicht ganz zufrieden“, sagt der 60-Jährige und zeigt auf den Abzug für den Buchdeckel. Der ist in einem kräftigeren Ton gehalten als bei dem einzelnen Probeexemplar, das Casper schon vor einiger Zeit drucken ließ. Nun hofft er, dass die Korrekturen, die er veranlasst hat, das erwünschte Ergebnis bringen. Schließlich lässt er 500 Exemplare drucken. Bis Montag sollen sie geliefert sein. Denn dann stellt Casper sein Buch „Göda und Umgebung in alten Bildern“ vor.


Mehrere Jahre hat er daran gearbeitet, Zeitungen und Archive durchforstet. Auslöser war die Tausendjahrfeier Gödas im Jahr 2006. Aus diesem Anlass wurden historische Ansichtskarten gezeigt. „Die sammelt mein Stiefsohn“, sagt Casper. Um sie noch mehr Leuten zugängig zu machen, nahm er sich vor, sie in einem Buch zu verewigen. Denn in dem Band „Göda – tausendjährig“, der anlässlich des Jubiläums erschienen war, sind nur ein paar davon abgebildet. Doch bald verwarf Casper seine ursprüngliche Idee. Er wollte mehr als Postkarten zeigen, zumal sich deren Motive oft ähneln. „Private Gebäude findet man darauf selten.“ Und so ging er auf die Suche nach alten Ansichten aus Göda und den umliegenden Orten.
Dabei half ihm nicht nur das Internet, sondern auch der „Zweitürmer“. In dieser Schrift des Gödaer Heimatvereins, die inzwischen eingestellt wurde, waren schon viele Ortschaften vorgestellt worden. Einwohner, die dafür Fotos zur Verfügung gestellt hatten, sprach er gezielt an. Er wollte ja nicht wahllos an Haustüren klingeln. Nicht immer stieß er auf offene Ohren, doch er ließ sich nicht entmutigen. „Es war mühsam, aber es gab auch positive Erlebnisse“, blickt er zurück. So fragte manch Angesprochener in seinem Ort selbst herum, wer noch etwas beisteuern kann. Zum Beispiel in Brösang, „dort kenne ich ja sonst niemanden“.
Denn Casper hielt sich nicht an die heutigen Gödaer Gemeindegrenzen, sondern zog einen Kreis von fünf Kilometern um den tausendjährigen Ort. So sind eben auch Dörfer wie Döberkitz, das heute zu Bautzen gehört, und Brösang oder Gaußig aus der Nachbargemeinde Doberschau-Gaußig vertreten. Insgesamt 55 Orte werden in historischen zum großen Teil noch nie veröffentlichten Bildern vorgestellt. Und nicht nur das. Casper ergänzt die Ansichten jeweils mit einer Zeittafel, wichtige Ereignisse werden näher beschrieben. Dazu kommen Stempel – „fast jedes Dorf war früher eine selbstständige Gemeinde und hatte einen eigenen Stempel“ –, Abbildungen von Urkunden, alten Rechnungen und Plänen, etwa von der ersten Verlegung von Stromleitungen Anfang des 20. Jahrhunderts. „Damit hatte ich mich schon mal für Birkau beschäftigt“, sagt Casper, der seit 20 Jahren in dem 100-Seelen-Dorf zu Hause ist und sich dort auch in der Feuerwehr engagiert. Sein Elternhaus steht im Nachbardorf Semmichau.
Für eine alte Ansicht des dortigen Herrenhauses fuhr er bis nach Berlin, wo die Tochter des früheren Besitzers lebt. Sie überließ ihm die Ansicht eines Gemäldes von 1889 und auch die „Anordnung zum Verlassen des Landes innerhalb von 48 Stunden“ – Beleg für die Enteignung 1945. An die Zeit unmittelbar danach erinnert das Foto aus einem Defa-Werbefilm, der die Übergabe einer Bodenreform-Urkunde an einen Neubauern in Birkau dokumentiert. Das älteste im Buch enthaltene Dokument ist der Grundriss eines Hauses von 1830, das in Dobranitz stand. Auch Seltenes und Kurioses ist dabei wie das Schild mit der Aufschrift: „Übermäßig schnelles Fahren im Orte Göda ist verboten“. „Das hing unter dem Ortseingangsschild, als es noch keine Verkehrszeichen gab“, erzählt Casper. Längst wurde die Warnung an alle Raser durch einen stationären Blitzer abgelöst. Aber Casper weiß, wo er das Schild fotografieren konnte.
Unter anderem ein Stempel stammt aus seinem eigenen Besitz: „LPG Durchbruch“ steht darauf. „Da hatte ich damals einen Arbeitsvertrag unterschrieben“, blickt Casper zurück. Doch wirklich gearbeitet hat er als Agrotechniker nie. Denn nach der Berufsausbildung mit Abitur studierte er Mathematik, arbeitete dann als Technologe beim Mähdrescherhersteller, dem Fortschritt-Kombinat in Neustadt, und später in der Nowa-Doba-Druckerei an der Bautzener Töpferstraße. Heute ist er im Domowina-Verlag beschäftigt.
Die Gestaltung seines Buches war für ihn trotzdem absolutes Neuland, denn als Buchhalter hat er beruflich damit nichts zu tun. So manchen Tipp konnte er sich freilich von Kollegen holen. So gelang es ihm nach anfänglichen Schwierigkeiten und vielen Stunden Bildbearbeitung, eine druckfähige Datei zu erstellen, die er in eine Druckerei nach Leipzig schickte. Herausgekommen sind 240 Seiten mit rund 800 Abbildungen – eine akribisch zusammengetragene Sammlung von größtenteils noch nie veröffentlichten Ansichten. Sie laden zu einer Entdeckungsreise in die Vergangenheit der Dörfer ein.
Die Buchvorstellung findet am Montag 19 Uhr im Vereinshaus Göda, Döberkitzer Straße 8, statt. Der Heimatverein lädt dazu ein. Dann gibt es das Buch für 20 Euro auch erstmals zu kaufen. Danach soll es im Blumenladen am Gödaer Dorfplatz und in der Smolerschen Verlagsbuchhandlung an der Tuchmacherstraße in Bautzen zu haben sein.