Von Kurt Geßler
Am 1. April 1859 ließ sich der Instrumentenbauer Friedrich August Förster, nachdem er vom Stadtrat Löbau die „Conzession zur Betreibung der Instrumentenbauerei“ erhalten hatte, in Löbau nieder. Er errichtete seine erste, recht bescheidene kleine Werkstatt im 2. Stock des Hinterhauses Rittergasse10. Allein baute er hier das erste Klavier. Da es unmöglich war, dieses die schmale Treppe hinunterzubringen, baute er es zum Auseinandernehmen, schaffte es in den nahe gelegenen Gasthof „Zum Goldenen Schiff“, heute Stadthaus, wo er es zur Besichtigung aufstellte.
Friedrich August Förster war der einzige Sohn eines armen Handwebers. Er wurde am 30. Juli 1829 in Oberseifersdorf bei Zittau geboren. Sein Vater starb sehr früh. In der Dorfschule seines Heimatortes erregte der aufgeweckte, begabte und lernbegierige Knabe Aufsehen. Nach dem Schulbesuch folgte er seiner ausgeprägten Vorliebe für das Tischlerhandwerk und ging 1843 bei einem Tischlermeister in Niederoderwitz in die Lehre. Von entscheidender Bedeutung wurden ihm aber die Jahre 1848/49 in Niedercunnersdorf, wo er als Tischlergeselle in seinen Mußestunden Musikinstrumente (Geigen und Gitarren) reparierte und baute. Der alte Kantor in Niedercunnersdorf empfahl ihn dem Klaviermacher Hieke in Löbau. August Förster erlernte hier die Grundlagen des Klavierbaus. Am 20. Mai 1854 wurde er in Zittau als Instrumentenmacher „los- und freigesprochen“.
Die völlige Unzulänglichkeit der ersten Werkstatt in der Löbauer Rittergasse veranlasste den jungen Klavierbauer, einen größeren Werkraum zu mieten. Nach abermaligen Verlegungen der Arbeitsstätte erwarb August Förster 1862, abseits vom Weichbilde der Stadt, mitten im freien Felde gelegen (an der heutigen Jahnstraße), eigenen Grund und Boden und errichtete darauf ein erstes kleines Fabrikationsgebäude. Die Mehrzahl engherziger Stadtbewohner bezeichnete damals eine Klavierfabrikation in Löbau als ein Unding. 1869 konnte bereits das 500. Klavier fertiggestellt werden. Um die Haltbarkeit seiner Instrumente zu erhöhen, konstruierte August Förster einen doppelten Eisenrahmen, eine Konstruktion, die außer ihm nur der Amerikaner Steinway in New York aufgenommen hatte. Er ließ sich diese Erfindung 1866 patentieren.
Das Exportgeschäft belebte sich damals zusehends, sodass Förster 1873 sein kleines Fabrikgebäude erweitern konnte. Im Jahre 1874 wurde das 1000. Instrument, ein Flügel, fertiggestellt. 1880 erfolgte der Übergang zum Dampfbetrieb mit einem großen Fabrikanbau (Maschinensaal, Werkräume zur technischen Holztrocknung). Als erster Betrieb in der Oberlausitz baute Förster 1883 eine elektrische Stromerzeugung.
Stilflügel und Stilpianos
August Förster behauptete sich unter den besten Pianofabriken der Welt. Der Tod riss ihn am 18. Februar 1897 aus seinem Schaffen. Noch zu seinen Lebzeiten, am 1. Oktober 1894, wurde sein Sohn Cäsar Mitinhaber des väterlichen Betriebes. Neben musikalisch-technischer Vervollkommnung der Instrumente wurden unter Cäsar Försters Leitung sogenannte Stilflügel und Stilpianos als Spezialität der Firma entwickelt. Im Jahre 1900 errichtete er eine Zweigfabrik auf österreichischem Boden in Georgswalde in Böhmen. Ein Herzschlag riss am 20.Februar 1915 den erst im 52. Lebensjahre stehenden Mann aus seinem arbeitsreichen Leben. Seiner Frau Margarethe Förster oblag es, das Werk durch die Kriegs- und Nachkriegszeit zu bringen. Die beiden Söhne Gerhard Förster und Manfred Förster wurden Mitarbeiter und Mitinhaber. Unter ihrer Leitung wurde der Betrieb weiter ausgebaut und verbessert. Der Ankauf eines größeren Geländes unmittelbar am Löbauer Güterbahnhof machte die Anlage eines modernen Holzplatzes möglich. Auch das „Haus Förster“ am Steilhang des Tales der Löbau (anstelle der ehemaligen Gaststätte „Funkenburg“) entstand. In ihm waren berühmte Künstler, Musiker und Kunstfreunde aus allen Erdteilen Gäste.
Die Weltwirtschaftskrise, die in den 30er Jahren mehr als zwei Drittel der gesamten deutschen Klavierindustrie eingehen ließ, verlangte große Opfer, um das Werk aufrechtzuerhalten. Der Zweite Weltkrieg fügte auch dem Unternehmen allerschwerste Verluste zu. Aber unverdrossen wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Noch vor Vollendung seines 50. Lebensjahres riss der Tod Manfred Förster am 30. Juni 1952 mitten aus seiner Arbeit.
Produktion stieg jedes Jahr
Nach dem Tod des kaufmännischen Leiters, dessen Organisationstalent und kommerzieller Weitblick dem Betrieb in seiner Weiterentwicklung Erfolge brachte, musste nun Gerhard Förster die Geschicke des Betriebes allein leiten. Ein enger Kreis vertrauter und bewährter Mitarbeiter stand ihm dabei helfend zur Seite. Aus der Familie Förster waren das für das kaufmännische Gebiet die Enkelin des Gründers Ruth Geßler, geborene Förster, die schon seit 1929 in der kaufmännischen Verwaltung, seit 1943 als Prokuristin tätig war, für das technische Gebiet der Urenkel des Gründers, Wolfgang Förster.
Um den beständig wachsenden Nachfragen des In- und Auslands gerecht zu werden, musste die Produktion von Jahr zu Jahr gesteigert werden. Die Produktionsräume erwiesen sich als zu klein. Sie drängten in notwendiger Ausweitung die Büroräume aus dem Betrieb. Diese fanden im „Haus Förster“, das damit seit 1957 fast ausschließlich Bürohaus geworden ist, das geeignete Unterkommen.
Gerhard Förster, der bedeutende und geniale Flügel- und Pianobauer, entwickelte bis zu seinem Tode am 26. Januar 1966 trotz seiner angegriffenen Gesundheit Neukonstruktionen, die Bewunderung und Anerkennung der gesamten Fachwelt hervorgerufen haben.
Im Jahre 1968 übernahm der Betrieb staatliche Beteiligung, und am 1. Mai 1972 wurde er ins Volkseigentum überführt. Als Betriebsdirektor wurde Wolfgang Förster berufen. Die August-Förster-Instrumente werden seitdem im VEB Förster Pianos Löbau gebaut.
Dieser Beitrag ist die gekürzte Zusammenfassung einer Artikelserie, erschienen am 11., 14., 21. und 27. März 1984 in der SZ Löbau.