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Ausbruch der Umzingelten

Mühlrose ist von Baggern umgeben, die nach Kohle graben. Eine Umsiedlung soll nur als Verbund und unter Wahrung sorbischer Traditionen möglich sein.

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Von Andreas Kirschke

Bei der Bundessitzung der Domowina in Mühlrose war vor allem das Wohl und Wehe des Ortes selbst Gegenstand. Seit 1966 lebe Mühlrose mit Belastungen, hieß es. Zwei Teilortsumsiedlungen habe es schon gegeben, das Tagebaufeld beginne nur 200 Meter hinter den Häusern. Und mit Blick auf die Zukunft, sagte Gemeinderat und Ortschronist Wolfgang Martin: „Der Ort wäre eingeschlossen vom Tagebau Nochten.“ Aber man respektiere den Bürgerwillen aus der Befragung 2005. Damals sprachen sich 87 Prozent für die vorzeitige Umsiedlung aus. Sowohl Schleife/Halbendorf als auch Ruhlmühle und Klitten-Jasua sind im Gespräch.

„Liefern sich die Mühlroser aus, wie Schafe auf die Schlachtbank?“, fragte bei der Beratung Jan Nuck provozierend. „Dem widerspreche ich energisch“, entgegnete Martin. „Wir haben alles versucht, den Braunkohlenplan abzuwenden. Unser Widerspruch 1994 wurde abgewiesen.“ Aber am Ende stand ein Neun-Punkte-Forderungskatalog an das Land Sachsen. „Das ging von Ortsverbindungen bis zur privaten Entschädigung. Dem wurde nicht entsprochen“, so Wolfgang Martin.

Mühlrose in 90er Jahren allein

In den 90er Jahren war Mühlrose auf sich allein gestellt. Sollte es jetzt zur Umsiedlung kommen, dann nur im Dorfverbund, so die einhellige Meinung auf der Domowina-Tagung. Manfred Hermasch, Regionalsprecher der Domowina: „Die Leute wollen Klarheit. Und diese Klarheit erhalten wir erst im Braunkohlenplanverfahren.“ Bis 2011 soll die Entscheidung zum Vorranggebiet fallen, inklusive der Frage nach der Abbaggerung von Mühlrose. Das Grundproblem, so die Tagungsteilnehmer einhellig, liege in der Energie-Leitlinie von Land und Bund. Die sieht Braunkohle als unverzichtbar für die Region an.

Versäumte die Domowina also in den 90er Jahren, den Mühlrosern beizustehen, fragten sich die Mitglieder? „Das ist schwer zu beurteilen“, sagte Jan Nuck nachdenklich. „Vielleicht hat man die Gefahren damals nicht so ernst genommen. Vielleicht hätte sich der Bundesvorstand entschiedener einsetzen können. Ich selbst kann es schwer beurteilen, weil ich damals politisch noch nicht gearbeitet habe.“

Marko Kowar, Referent der Domowina für Wirtschaft und infrastrukturelle Angelegenheiten, informierte indes über die gemeinsame Erklärung: „Aus Verantwortung für die sorbische Bevölkerung in den Bergbauregionen der Lausitz“ zwischen Vattenfall und Domowina. Arbeitsgespräche würden stattfinden. Schwerpunkte seien Pflege sorbischer Sprache, Förderung von Wirtschaft und Tourismus, Medien in sorbischer Sprache sowie Kultur- und Traditionspflege.

Regionalverbände sind gefragt

In beiden direkt vom Bergbau betroffenen Domowina-Regionalverbänden Niederlausitz und Weißwasser-Niesky wurden rund 60 Vorschläge eingereicht. Die Vorstände entscheiden, welche Ideen umsetzbar sind. In den nächsten Wochen gilt es, Formalitäten zu regeln, um 2008 aktiv zu werden. Hintergrund dafür ist der Protest der Domowina gegen Pläne des Bundes, seine Förderung für die Stiftung für das sorbische Volk drastisch zu kürzen (SZ berichtete). Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte für 2008 fünf Millionen Euro freigegeben. „Weitere 2,6 Millionen Euro sind noch gesperrt“, so Jan Nuck. Bis 14. Juni sollen sich Bund, Brandenburg und Sachsen auf ein neues Finanzierungsabkommen einigen.