Von Stefan Lehmann
Landkreis. Der Blick auf die große blaue Anzeigetafel am Leipziger Hauptbahnhof verheißt nichts Gutes. Schon von Weitem fällt mir die gelbe Schrift hinter der Abfahrtszeit meines Zuges auf. Gelbe Buchstaben, bei der Deutschen Bahn bedeutet das in aller Regel: verspätete Abfahrt, verspätete Ankunft, Zugausfall. Ein Blick aus der Nähe verrät: „...fährt nicht über Riesa.“ Seltsamerweise steht auch der Regionalexpress noch auf dem Gleis, der schon 20 Minuten zuvor in Richtung Dresden hätte losfahren sollen. Was für ein Glück, denke ich noch, da tönt auch schon eine Durchsage vom Bahnsteig: „Dieser Zug fällt auf unbestimmte Zeit aus“, heißt es da.
Also ab zum Info-Stand, an dem schon gut zehn andere Pendler darauf hoffen, dass ihnen die gemütliche Dame in der Bahn-Uniform verrät, wie sie denn jetzt bitte nach Riesa kommen sollen. Sie hat schon Übung, als ich an der Reihe bin: „Da würde ich Ihnen den Regionalexpress um 9.03 Uhr empfehlen“, rasselt sie ihre Antwort herunter. „Zwischen Wurzen und Oschatz soll ein Notbusverkehr eingerichtet werden.“ Das könne allerdings eine Weile dauern. Was eigentlich passiert sei, will ich noch wissen. „Polizeieinsatz – da hat jemand einen Automaten gesprengt“, erzählt die Bahn-Mitarbeiterin und schaut desinteressiert auf ihren Bildschirm.
Ganz richtig ist das nicht, wie ich später aus dem Polizeibericht erfahren werde: Gegen 5 Uhr nachts hatten Unbekannte Gas in einen Fahrkartenautomaten in Kühren bei Wurzen geleitet. Der Automat sei schwer beschädigt worden, so die Polizei – aber an die Geldkassette seien der oder die Täter nicht herangekommen. Das Problem: Die Bundespolizei muss am Tatort Spuren sichern. Und das dauert. Von 7 bis 9 Uhr bleibt die Strecke dicht, sprich: zur besten Pendlerzeit, wie auch ein Sprecher der Bahn bestätigt. So kurzfristig Schienenersatzverkehr zu organisieren, sei nicht leicht: Erst gegen 8.30 Uhr fahren die ersten Busse zwischen Dahlen und Wurzen. Wer von Riesa nach Leipzig fährt, muss sich bis dahin gedulden. In der anderen Fahrtrichtung gilt dasselbe. Aber von den Umleitungen, Zugausfällen und Verspätungen seien allein zehn Personenzüge betroffen. Der Bahnhof ist an diesem Freitagmorgen für einige Stunden quasi abgehängt – jedenfalls für diejenigen, die wie ich aus westlicher Richtung in die Stadt kommen. Aber gut, dann eben ein kleines Frühstück am Bahnhof gekauft und auf den Zug um kurz nach 9 gewartet, denke ich mir. Eine Dreiviertelstunde Verspätung, das ist doch nichts gegen das, was Bahnreisende während der GdL-Streiks zu erdulden hatten.