Görlitz sorgt sich ums Baden im See

Erste FKK- und sonstige Sonnenanbeter haben sich bei dem sonnigen Wetter zuletzt am Berzdorfer See gezeigt. Und es wird nicht lange dauern, dass das Wasser so warm ist, dass Baden eine Freude ist.
Doch vorerst steht Corona vor der Freude. Ursprünglich sollte die Saison am Berzdorfer See am 1. Mai beginnen. Baden, Segeln, Paddeln - all das wäre dann möglich gewesen. Doch wegen der Einschränkungen gegen die Pandemie sind alle diese Aktivitäten am See mindestens bis 4. Mai untersagt.
Doch selbst wenn Bund und Land in dieser Woche oder spätestens am 6. Mai das Baden unter freiem Himmel wieder zulassen, so müsste doch auch im Sommer das Abstandsgebot eingehalten werden. Doch noch aus einem anderen Grund könnte es doch am städtischen Nordoststrand heißen: Baden verboten.
Zwei Urteile schrecken die Stadt auf
Der Grund liegt in einer verschärften Rechtssprechung, die sich seit Jahren beim Baden in Badestellen abzeichnet. Eine solche, sogar mehrfach ausgeschildert, ist der Nordoststrand in der Tat. "Bislang waren wir aber davon ausgegangen, dass an dem Ufer keine badetypischen Einrichtungen wie Stege, Badeinsel oder Sprungturm stehen", sagt Bürgermeister Michael Wieler, "sodass keine Aufsicht nötig ist". Diese Ansicht teilte nach seinen Worten auch Oberbürgermeister Siegfried Deinege bis zum Ende seiner Amtszeit.
Tatsächlich aber sind die Kommunen durch zwei Gerichtsentscheidungen aufgeschreckt. So hatte der Bundesgerichtshof 2017 eine besondere Pflicht zur Badeaufsicht durch die Kommunen gesehen. Verhandelt wurde der Fall einer Zwölfjährigen, die von einem Steg in einen See gesprungen war, sich in Bojenabsperrungen verfangen hatte, minutenlang bewusstlos unter Wasser trieb und erst spät von der Aufsicht gerettet wurde. Sie trug bleibende Gehirnschäden davon und ist nun ein Pflegefall.
Der kommunale Schadensausgleich, bei denen sich die Kommunen gegen Schadensersatzforderungen versichern, hat seit Jüngstem deswegen nun die Auffassung: "Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes müssen öffentlich ausgewiesene Badestellen auch bewacht werden". Nach dessen Ansicht entsteht eine Badestelle bereits, wenn ein Gewässerzugang von der jeweiligen Gemeinde ausdrücklich als Badestelle bezeichnet und beschildert wird und regelmäßig von einer größeren Anzahl von Personen genutzt wird - wie also am Nordoststrand. Es bedarf nicht erst eines Steges oder eines Turmes.

Ein zweites Urteil fiel im Februar in Hessen. Dort wurde ein Bürgermeister in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt, weil die Gemeinde versäumt hatte, dass ein Teich abgezäunt und gesichert wurde. Die Folge: Drei Kinder, die dort badeten, ertranken.
Görlitz holt Gefährdungsgutachten ein
Oberbürgermeister Octavian Ursu hat diese Urteile zum Anlass genommen, die Lage am Berzdorfer See zu klären. "Dabei geht es nicht um unsere persönliche Absicherung", sagt Ursu, "sondern unter welchen Bedingungen das Baden am See erlaubt ist."
In einem ersten Schritt wurde eine Firma beauftragt, eine Gefährdungsanalyse für das städtische Ufer am See zu erstellen. Sie soll klären, ob es eine Badestelle ist, die ohne Badeaufsicht nicht betrieben werden darf. Sollte das so sein, dann ist das Baden so lange nicht möglich, bis Rettungsschwimmer am Nordoststrand aufpassen.
Stadt hat noch keine Badeaufsicht
Und das ist das zweite Problem. Alle Bemühungen der Stadt mit Vereinen wie der Wasserwacht oder der DLRG eine Absicherung zu erreichen, waren vergebens. Sie arbeiten nur im Ehrenamt, ihre Kräfte sind daher verständlicherweise begrenzt und sie sind bereits in der Blauen Lagune im Einsatz.
Darauf reagiert nun die Stadt, indem sie bezahlte Saisonkräfte einstellen will. Vermutlich über den Zweckverband Neißebad. Sechs bis acht Leute sind für den Nordoststrand nötig, schätzt Ursu. Zwar wird bald der Rettungsturm am Nordstrand fertiggestellt sein. Aber er kann nur die Zentrale der Aufsicht bilden. Denn auch das steht im Urteil des Bundesgerichtshofes: Die Schwimmaufsicht hat solche Beobachtungsorte zu wählen, dass der gesamte Schwimmbereich überwacht und auch in das Wasser hineingeblickt werden kann. Daher kauft die Stadt nun auch noch Hochsitze ähnlich wie beim Tennis für den Nordoststrand.
Wann aber die Rettungsschwimmer bereitstehen, ist völlig offen. Im schlimmsten Fall könnte bis dahin das Baden am Nordteil des Sees nicht möglich sein.
Welche Folgen hätte ein Badeverbot im Norden für die Blaue Lagune?
Das hätte aber Folgen für die Blaue Lagune, die von der Gemeinde Schönau-Berzdorf betrieben wird. Deren Bürgermeister Christian Hänel geht davon aus, dass es eine Saison am See geben wird. „Wir bereiten alles vor“, erzählt er. An der Blauen Lagune achtet seit Jahren die DLRG auf die Sicherheit der Badegäste. So soll es auch dieses Jahr sein, erzählt Hänel. „Vielleicht könnten wir den Auftrag der DLRG etwas erweitern, dass sie vielleicht auch mit auf die Einhaltung der Abstandsregeln schauen“, hofft er. Denn die würden am See gelten wie andernorts auch. Weil Polen und Tschechen, die bislang die Hälfte der Besucher ausmachten, bei geschlossenen Grenzen nicht kommen können, werden weniger Gäste erwartet.
Doch gibt es ein Badeverbot im Norden, weichen viele Badefreunde in den Süden aus, sorgt sich Hänel. „Dann würde sich bei uns sicher das Besucheraufkommen deutlich erhöhen“, nimmt er an. Und dann würde es schwierig werden, an der Blauen Lagune Abstandsregeln und andere Maßnahmen einzuhalten. „Und welche Wahl würde ich dann haben? Uns gegenüber wäre das nicht fair.“
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