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Baden im See nur unter Aufsicht?

Görlitz will das für seinen neuen Strand ganz genau wissen. Im Lausitzer Seenland geht man das entspannter an.

Von Sebastian Beutler & Uwe Schulz & Susanne Sodan
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Am Geierswalder See wird der Strand bei SurfRenner während der Saison am Wochenende vom DRK bewacht. Das ist an den Badegewässern rund um Hoyerswerda aber eher die Ausnahme.
Am Geierswalder See wird der Strand bei SurfRenner während der Saison am Wochenende vom DRK bewacht. Das ist an den Badegewässern rund um Hoyerswerda aber eher die Ausnahme. © Archivfoto: Uwe Schulz

Lausitzer Seenland/Görlitz. So ein Bergbaufolgesee ist doch eine feine Sache: Nach der Sanierung und der Freigabe hat man Erfrischung und Badespaß pur. Oder etwa nicht? Im Lausitzer Seenland kommen da bislang kaum Zweifel auf. In der Stadt Görlitz schon. Erste FKK- und sonstige Sonnenanbeter haben sich bei dem sonnigen Wetter zuletzt am Berzdorfer See gezeigt. Ursprünglich sollte die Saison an dem Bergbaufolgesee am 1. Mai beginnen. Baden, Segeln, Paddeln – all das wäre dann möglich gewesen.

Eine rechtliche Einschränkung dafür gibt es seitens des Freistaates Sachsen aber nicht. Das Sozialministerium erklärt auf seiner Internetseite unter der Rubrik „Häufige Fragen zum Umgang mit der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung“: „Ja, in frei zugänglichen Gewässern besteht kein allgemeines Badeverbot. Das Baden ist dort unter Einhaltung der Abstandsregelungen zulässig. Die Kontrollen übernehmen die Ordnungsbehörden.“ Und auch Wassersport (beispielsweise Windsurfing) darf betrieben werden – allerdings nur allein oder mit Mitgliedern des eigenen Hausstandes bzw. einer weiteren Person.

Die Stadt Görlitz sieht für ihren Badestrand allerdings noch ein ganz anderes Problem, nämlich in der verschärften Rechtssprechung beim Baden in Badestellen. Eine solche, sogar mehrfach ausgeschildert, ist der Nordoststrand des Berzdorfer Sees. „Bislang waren wir aber davon ausgegangen, dass an dem Ufer keine badetypischen Einrichtungen wie Stege, Badeinsel oder Sprungturm stehen“, sagt Bürgermeister Michael Wieler, „sodass keine Aufsicht nötig ist“. Diese Ansicht teilte nach seinen Worten auch Oberbürgermeister Siegfried Deinege bis zum Ende seiner Amtszeit. Nun ist die Kommune aber durch zwei Gerichtsentscheidungen aufgeschreckt. So hatte der Bundesgerichtshof 2017 eine besondere Pflicht zur Badeaufsicht durch die Kommunen gesehen. Verhandelt wurde der Fall einer Zwölfjährigen, die von einem Steg in einen See gesprungen war, sich in Bojenabsperrungen verfangen hatte, minutenlang bewusstlos unter Wasser trieb und erst spät von der Aufsicht gerettet wurde. Sie trug bleibende Gehirnschäden davon und ist ein Pflegefall. Seitdem sorgen sich bundesweit Kommunen um ihre Badestellen. Manche hat sie gesperrt. Gebadet wird natürlich trotzdem.

Zwei Urteile schrecken auf

Der kommunale Schadensausgleich, bei dem sich die Kommunen gegen Schadensersatzforderungen versichern, hat seit Jüngstem deswegen nun die Auffassung: „Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes müssen öffentlich ausgewiesene Badestellen auch bewacht werden“. Nach dessen Ansicht entsteht eine Badestelle bereits, wenn ein Gewässerzugang von der jeweiligen Gemeinde ausdrücklich als Badestelle bezeichnet und beschildert wird und regelmäßig von einer größeren Anzahl von Personen genutzt wird – wie also am Nordoststrand. Es bedarf nicht erst eines Steges oder eines Turmes.

Ein zweites Urteil fiel im Februar in Hessen. Dort wurde ein Bürgermeister in erster Instanz zu einer Geldstrafe verurteilt, weil die Gemeinde versäumt hatte, dass ein Teich abgezäunt und gesichert wurde. Die Folge: Drei Kinder, die dort badeten, ertranken. Der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu hat diese Urteile zum Anlass genommen, die Lage am Berzdorfer See zu klären. „Dabei geht es nicht um unsere persönliche Absicherung“, sagt Ursu, „sondern unter welchen Bedingungen das Baden am See erlaubt ist.“ In einem ersten Schritt wurde eine Firma beauftragt, eine Gefährdungsanalyse für das städtische Ufer am See zu erstellen. Sie soll klären, ob es eine Badestelle ist, die ohne Badeaufsicht nicht betrieben werden darf. Sollte das so sein, dann ist das Baden so lange nicht möglich, bis Rettungsschwimmer am Nordoststrand aufpassen.

Und das ist das zweite Problem. Alle Bemühungen der Stadt, mit Vereinen wie der Wasserwacht oder der DLRG eine Absicherung zu erreichen, seien vergebens gewesen. Sie arbeiten nur im Ehrenamt, ihre Kräfte sind daher verständlicherweise begrenzt. Darauf reagiert nun die Stadt, indem sie bezahlte Saisonkräfte einstellen will. Vermutlich über den Zweckverband Neißebad. Sechs bis acht Leute sind für den Nordoststrand nötig, schätzt Ursu.

Im Lausitzer Seenland sieht man das bislang anders. Am Bärwalder See, Sachsens größtem See, gibt es drei Badestrände, an denen laut wasserrechtlicher Genehmigung vom 15. Mai bis zum 15. September das Baden erlaubt ist. „Baden erfolgt auf eigene Gefahr“, teilt die Gemeinde Boxberg auf TAGEBLATT-Nachfrage mit. „Die Wasserrettung und Badeaufsicht ist keine Pflichtaufgabe der Kommune, jedoch unterstützen wir die ehrenamtlichen Retter im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir sind sehr dankbar, dass der DRK Landesverband Sachsen (Wasserwacht Sachsen) im Rahmen der Möglichkeiten während der Badesaison Rettungsschwimmer für die Wasserrettung abstellt, welche punktuell am Bärwalder See eingesetzt werden.“ Eine komplette, generelle Sicherung des Bärwalder Sees ist damit aber nicht sichergestellt. Denn nur etwa jedes zweite Wochenende während der Saison wird der Verband Rettungsschwimmer einsetzen. An den Badestränden der Uferbereiche Boxberg/O.L., Klitten und Uhyst gibt es Notrufsäulen.

Der Lohsaer Hagen Aust von der DRK Wasserwacht begrüßt seinerseits, wenn Rettungsschwimmer zum Einsatz kommen. Er sagt, dass Betreiber einer Badestelle für die Verkehrssicherungspflicht verantwortlich sind. Wenn das Baden auf eigene Gefahr ausgeschildert sei, dann ist das so. Die Gemeinde Lohsa, mitten im Lausitzer Seenland gelegen, hat vier Seen auf ihrem Territorium. Bürgermeister Thomas Leberecht sagt: „Diese können unter anderem als Ausflugsziel, um die Natur zu genießen, als auch zum Baden und Schwimmen genutzt werden. Hierfür gibt es Allgemeinverfügungen bzw. Zulassungen des beschränkten Gemeingebrauches, welche zum Beispiel das Baden auf eigene Gefahr in bestimmten Bereichen erlauben. Es gibt zur Zeit drei für die Öffentlichkeit zugängige und damit freie Strände, die nicht durch die Wasserrettung überwacht werden. Die Strandbereiche werden durch private Pächter bewirtschaftet.“

In der Gemeinde Elsterheide gibt es bislang Badestrände am Geierswalder und am Partwitzer See. Doch nur im Bereich SurfRenner am Geierswalder See gibt es seit 2006 einen Wasserwacht-Stützpunkt. Der ist in der Regel aber auch nur am Wochenende besetzt.

Wie so oft bewegen sich die Kommunen in einer Grauzone. Das geht auch aus den Empfehlungen des Kommunalen Schadensausgleichs und diverser Gemeinde- und Städtetage hervor. Denn Baden in natürlichen Gewässern gilt als Gemeingebrauch. Für Tagebaufolgeseen nur, wenn sie für den Gemeingebrauch freigegeben wurden. Eine kommunale Aufsichtspflicht ist nicht vorgeschrieben. Toiletten, Papierkörbe und extra geschaffene Parkplätze sucht man an solchen Stellen vergeblich. Doch wenn eine Kommune ihren Einwohnern oder den Touristen an ihrem See etwas Gutes tun will und den Strand entwickelt, dann muss sie sich auch mit dem Thema Wasserwacht auseinandersetzen – und letztlich eine Entscheidung treffen.