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Bahn will Nünchritzer Eidechsen umsiedeln

Die Deutsche Bahn gestaltet eine alte Müllhalde bei Zschaiten zum Reptilienreservat um. Spaziergänger kritisieren massive Baumfällungen.

Von Jörg Richter
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Eidechsen lieben sonnige Plätze. Durch die warmen Temperaturen im April sind die Tiere wieder aktiver geworden.
Eidechsen lieben sonnige Plätze. Durch die warmen Temperaturen im April sind die Tiere wieder aktiver geworden. © Sebastian Schultz

Nünchritz. Gunar Leichsenring geht gern mit seinem Enkel und seinem Hund spazieren. Dabei führt sie ihr Weg auch oft am Fuße des Bahndamms entlang. Kurz vor Zschaiten kommen sie an der alten Müllhalde vorbei. "Bis Anfang der Neunziger Jahre war sie noch in Betrieb", erzählt der Nünchritzer. Heute ist sie in Vergessenheit geraten, auch weil die Anhöhe mit vielen Bäumen zugewachsen ist. Oder besser gesagt, war. 

Seit ein paar Monaten ist das nicht mehr so. Zahlreiche Bäume auf der ehemaligen Müllhalde sind der Kettensäge zum Opfer gefallen. An einer Stelle am Bahndamm, unweit der Zschaitener Spargelfelder, sind die Stämme und Äste aufgestapelt. Fast so hoch, wie der Bahndamm, hinter dem die hohen Türme des Wacker-Chemiewerks in die Luft ragen. "Der Stapel war mindestens doppelt so hoch wie jetzt", berichtet Leichsenring. Ein mobiler Schredder der Firma Packroff zerkleinert den Holzhaufen zu Rindenmulch. 

Auch gesunde Bäume gefällt

Der aufmerksame Nünchritzer schätzt, dass auf ungefähr ein bis zwei Hektar Fläche alle Bäume und Sträucher beseitigt wurden. "Sogar bis zu 60 Jahre alte Eichen, Buchen und andere Bäume sind darunter, alle gesund", sagt Leichsenring. Er selbst schätzt sich nicht unbedingt als Umweltschützer ein. Aber dieser Raubbau an der Natur ärgert ihn schon.

"Das ist eine Sache, die keiner versteht. Noch nicht mal die Leute, die hier arbeiten", so der Rentner. Er fragte bei den Bauarbeitern nach, was das hier werden soll, und erhielt zur Antwort, dass die ehemalige Müllhalde zu einem Habitat für Eidechsen umgestaltet wird. Die Reptilien würden entlang der kommenden ICE-Strecken-Baustelle eingesammelt und umgesiedelt. "So richtig glaubt keiner, dass das funktionieren soll", ist sein Eindruck.

Diese Schild an der ehemaligen Müllhalde bei Zschaiten weist darauf hin, was die Deutsche Bahn hier vorhat. 
Diese Schild an der ehemaligen Müllhalde bei Zschaiten weist darauf hin, was die Deutsche Bahn hier vorhat.  © Jörg Richter
Diese Bruchsteinhaufen sollen die Sonnenplätze für die Eidechsen sein. 
Diese Bruchsteinhaufen sollen die Sonnenplätze für die Eidechsen sein.  © Jörg Richter
Ein mobiler Schredder der Firma Packroff zerkleinert die Bäume, die die Bahn hat fällen lassen. 
Ein mobiler Schredder der Firma Packroff zerkleinert die Bäume, die die Bahn hat fällen lassen.  © Jörg Richter
Die ehemalige Müllhalde ist mit dieser Reptiliensperre "eingezäunt" worden.
Die ehemalige Müllhalde ist mit dieser Reptiliensperre "eingezäunt" worden. © Jörg Richter

Die Deutsche Bahn bestätigt das Vorhaben, bei Zschaiten ein Ersatzhabitat für Zauneidechsen zu schaffen. "Die Bahn baut nicht nur, sie kümmert sich auch um die Tiere", sagt Pressesprecherin Erika Poschke-Frost. Die geschützten Reptilien seien bei Voruntersuchungen u. a. im Gleisschotter und in den Böschungen des Bahndamms entdeckt worden. 

"Mit den Umbaumaßnahmen wird deren angenommener Lebensraum temporär beeinträchtigt", sagt sie. Daher würden die Eidechsen unter strenger Beachtung des Naturschutzes und der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch eine Fachfirma in die Ersatzhabitate umgesiedelt, sobald die Temperaturen und die Sonneneinstrahlung eine entsprechende Aktivität der Tiere zulassen. "Durch den sonnigen April hat dies nun schon begonnen", so die Bahnsprecherin. Im Bereich der Habitate seien neben Totholz auch Schotterflächen notwendig, um die Temperatur- und Wärmeregulation für die umgesiedelten Reptilien analog zum früheren Lebensraum im Gleisbereich gewährleisten zu können. 

Tatsächlich sind auf und neben der ehemaligen Müllhalde bei Zschaiten mehrere Holzhaufen, Steindämme und Sandflächen angelegt worden, auf denen sich die Zauneidechsen aufwärmen sollen. Das Gelände ist mit einer kniehohen, schwarzen Reptiliensperre umgeben, damit die Reptilien in ihrem neuen Reservat bleiben. 

Feldwege geschottert

Eine neu angelegte Schotterstraße führt von der nahen S 40 über einen Feldweg, entlang des Bahndamms und auch auf die Halde. Dabei handele es sich in erster Linie um Baustraßen, die auf beiden Seiten des Bahndamms entstehen. "In Abhängigkeit von der Nutzungshäufigkeit durch Baufahrzeuge und die Transportmengen erhalten die Baustraßen noch eine Deckschicht. Das kann – muss aber nicht Asphalt sein", sagt Erika Poschke-Frost.

Der Abschnitt Zeithain-Leckwitz wird im Rahmen des Streckenausbaus Leipzig-Dresden zweigleisig ausgebaut für Geschwindigkeiten bis 200 km/h und mit moderner Stellwerkstechnik ausgestattet. Im Zuge des Ausbaus werden die Bahnübergänge Bahnhofstraße und Poststraße in Glaubitz durch Eisenbahnüberführungen ersetzt, die im Bauabschnitt befindlichen Ingenieurbauwerke und der Oberbau sowie die Oberleitungsanlage erneuert. Ab Oktober 2020 werden die Hauptbauarbeiten beginnen. 

Wie angekündigt beginnen jetzt schon die bauvorbereitenden Maßnahmen. Beispielsweise werden in den Ortslagen Nünchritz im Bereich des ASG-Geländes (ehemals Kolping), in Glaubitz und in Weißig Baustellenflächen eingerichtet. Auch ökologische Ausgleichsmaßnahmen, wie die Schaffung für Ersatzhabitate für Fledermäuse und Zauneidechsen, gehörten zu den Bauvorbereitungen, so die Bahnsprecherin.

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