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Das Zugfahren der Zukunft

Umweltfreundlicher, pünktlicher, schneller – so soll künftig der Schienenverkehr rollen. In Dresden wird dafür geforscht.

Von Jana Mundus
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Auf 13.000 Kilometern können derzeit nur Dieselzüge fahren. In Chemnitz wird für solche Strecken nun der erste Zug mit Batteriebetrieb getestet.
Auf 13.000 Kilometern können derzeit nur Dieselzüge fahren. In Chemnitz wird für solche Strecken nun der erste Zug mit Batteriebetrieb getestet. © 123rf

1. Grün auf der Strecke

Für seine Premiere rollte der Ökozug vor ein paar Tagen über die Schiene. Zum ersten Mal fuhr in Chemnitz der Ecotrain, ein Zug mit Hybridantrieb, der den herkömmlichen Dieselantrieb ersetzen soll. Das Besondere: Das Fahrzeug ist nicht neu, sondern umgerüstet. Die Idee soll das Bahnfahren auf Nebenstrecken umweltfreundlich machen.

Obwohl der Großteil der Züge in Deutschland elektrisch fährt, gibt es noch gut 13.000 Kilometer nicht elektrifizierte Bahnstrecke. Dort verkehren 2.800 Dieselzüge, die CO2 und Stickoxide ausstoßen. Zum Ausmustern sind sie jedoch zu jung. Gut 30 bis 40 Jahre können sie schließlich fahren. Die Lösung: Umbau. Bei der Erzgebirgsbahn läuft deshalb ein vom Bund gefördertes Pilotprojekt der BTS Railway Saxony. Zu dem Bahntechnikverband gehören 70 Mitglieder aus Wirtschaft und Wissenschaft.

Den Hybridantrieb entwickelten die TU Dresden, das Dresdner Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI und die TU Chemnitz gemeinsam. Der Elektroantrieb besteht aus einer Dieselmotor-Generator-Einheit und einer Lithium-Ionen-Batterie. Wo es Oberleitungen gibt, erfolgt das Nachladen der Batterie im Betrieb über Stromabnehmer und während der nächtlichen Pausen über Kabeleinspeisung. Die beim Bremsen frei werdende Energie wird gespeichert und später wieder für den Antrieb genutzt. Der Zug ist nun außerdem deutlich leiser. Nach erfolgreichem Test bei der Erzgebirgsbahn möchte die Deutsche Bahn den Ecotrain bundesweit einsetzen. 

2. Schneller mit Tunnel

Verlässlicher, öfter, schneller. Wenn es nach Arnd Stephan, Professor für Elektrische Bahnen an der TU Dresden, geht, ist genau das eines der Rezepte für das Bahnfahren der Zukunft. „Wir brauchen ein besseres Angebot mit mehr Zügen auf der Strecke.“ Dafür ist jedoch ein darauf ausgelegtes Schienennetz notwendig – über und unter der Erde.

Erste Hochgeschwindigkeitsstrecken wie zwischen Erfurt und Leipzig oder die geplante 200 Kilometer lange ICE-Trasse für die Lausitz sind dafür wichtige Schritte. Ein Mammutprojekt soll der Erzgebirgstunnel werden. Die 40 Kilometer lange zweigleisige Strecke ist zwischen Heidenau und Usti nad Labem vorgesehen. Dafür notwendig ist ein 30 Kilometer langer Tunnel durch das Erzgebirge. Wo genau er verlaufen soll, steht noch nicht fest.

Fakt ist aber schon eins: Einen Tunnelbau mit solch einer Länge hat es hierzulande noch nicht gegeben. „Es fehlen deshalb auch die Erfahrungen“, sagt der TU-Professor. Die Wissenschaftler, die sich im Verbund BTS Railway Saxony engagieren, wollen aus diesem Grund die beteiligten Bauherren in den kommenden Jahren beraten. Helfen könnte dabei auch das Wissen, das in der Schweiz während des Baus des Gotthard-Basistunnels gesammelt wurde. Auf 57 Kilometern Länge führt er durch die Schweizer Alpen. Die Informationen darüber zusammenzutragen, könnte dem Großprojekt nützlich sein.

Um mehr Züge einsetzen zu können, müssen diese auch schneller gebaut werden. Weitere Projekte beschäftigen sich deshalb mit der Frage, wie digitale Konzepte die Produktion beschleunigen können. 

3. Digital und sicher

Ein Fehler im System. In der Klimaanlage des Zugs scheint etwas nicht korrekt zu funktionieren. Doch das Fahrzeug hat den Defekt bereits bemerkt. Kurze Mitteilung an die Werkstatt, die die Reparatur dadurch schon eintakten kann. So sieht die Zukunft aus. Doch die Digitalisierung der Züge birgt auch Risiken. Es macht sie angreifbarer für Cyberattacken. Eine europäische Initiative mit Dresdner Beteiligung sucht nach Lösungen für die neuen Probleme.

Seit Jahren steigt die Zahl der Angriffe von Hackern. Durch die Zunahme der Digitalisierung im Schienenverkehr bekommt das Thema eine neue Brisanz. „Es muss ausgeschlossen werden, dass Kriminelle Zugang zu den wichtigen Systemen der Bahninfrastruktur bekommen“, sagt Dirk-Ulrich Krüger von der BTS Railway Saxony. Der Bahntechnikverband aus Sachsen mit Mitgliedern aus Wissenschaft und Wirtschaft ist Teil der europäischen Bahnclusterinitiative ERCI. Gemeinsam suchen 15 europäische Verbände unter diesem Dach nach Möglichkeiten, solchen Angriffen vorzubeugen. „Es geht darum, mögliche Bedrohungsszenarien durchzuspielen und Gefahren zu erkennen“, erklärt es Krüger.

Die sind vielfältig und erschreckend zugleich: Sie reichen vom Manipulieren von Signalanlagen, über Verspätungen bis hin zu herbeigeführten Unfällen. Während der weiteren Digitalisierung und der Entwicklung neuer Technologien müssten Fragen der Cybersicherheit immer wieder mitgedacht werden, sagt Krüger. Durch regelmäßigen Austausch unter den europäischen Partnern soll genau das gelingen. „Damit alle von guten Ideen profitieren.“ 

4. Pünktlich durchs Netz

Dieser Hinweis auf den Informationstafeln am Bahnsteig ist für Zugreisende immer wieder ärgerlich: „10 Minuten später“. Wenn es ganz hart kommt: „60 Minuten später“. In Zukunft sollen Züge pünktlicher und zuverlässiger unterwegs sein. Ein sächsisches Forschungsprojekt lotet dafür jetzt neue Technologien aus. Die Züge sind dabei nicht mehr nur Transportmittel für Menschen oder Güter. Sie werden zu rollenden Stellwerken.

Im Blick haben die Forscher dabei die zahlreichen Strecken für den regionalen Zugverkehr. Diese sogenannten Sekundärbahnen sind zwar keine Hauptstrecken im Eisenbahnnetz. Sie erfüllen aber gerade für den Nahverkehr eine wichtige Rolle und erschließen den ländlichen Raum. „Die auf den Strecken genutzte Leit- und Sicherungstechnik ist vielerorts allerdings veraltet“, erklärt Arnd Stephan, Inhaber der Professur für Elektrische Bahnen an der TU Dresden. Die Fahrwegsicherung übernehmen meist Stellwerke. Ihre Modernisierung und Instandhaltung ist teuer.

Unter dem Dach des vom Freistaat Sachsen mitfinanzierten Bahntechnik-Innovationsclusters Set4Future entwickeln die Wissenschaftler der TU Dresden nun gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft neue Ideen für die Sekundärbahnen. Digital sollen die Züge dabei werden. Durch neue Technik an Bord findet das Fahrzeug selbst den sicheren Weg durch das Netz und reserviert die Fahrtwege für sich. Es kommuniziert mit Weichen und stellt sie. „Der Zug ist also sein eigenes Stellwerk“, verdeutlicht Stephan. Durch die permanente Kommunikation mit anderen Zügen im Netz entsteht ein System, bei dem Fahrpläne besser eingehalten werden könnten, als heute üblich. Schon bald soll sich all das in der Wirklichkeit erstmals bewähren. Auf einer Teststrecke zwischen Annaberg-Buchholz Süd und Schwarzenberg wollen die Forscher mit einem ersten Prototyp-Fahrzeug ausprobieren, wie das neue Fahren funktioniert. Die Kommunikation läuft dabei zum einen über den neuen, schnellen Mobilfunkstandard 5G, zum anderen über Satellitenortung.

Das Projekt „Neue Städtebahn“ ist aber nur ein Ansatz, damit Züge demnächst pünktlicher sind. Auch das Thema Instandhaltung der Fahrzeuge spielt dafür eine wichtige Rolle. Denn ein defekter Zug kann ebenfalls Grund für Verspätungen sein. „Es geht deshalb auch darum, dass die Züge zum Beispiel ganz automatisch Fehler in ihrem System finden und die zuständigen Stellen darüber informieren.“ Die Züge von morgen werden intelligent.