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Bahnhof Mitte wird zur Ladenzeile

Die Deutsche Bahn will in neue Läden investieren. Kommt damit auch die alte imposante Halle zurück?

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Nach dem Hauptbahnhof ist nun der Bahnhof Mitte an der Reihe – allerdings in kleinerem Umfang. Die Deutsche Bahn will auf den Flächen unterhalb der Gleise zwischen Könneritz-, Weißeritz- und Jahnstraße Geschäfte einrichten. Auf rund 1 500 Quadratmetern ist Platz für fünf bis sechs Läden. Der Vorteil des Standortes liegt auf der Hand: Die Läden können länger öffnen als andere. Dennoch reichen die Fahrgäste allein nicht aus, um den Betreibern genügend Umsatz zu bringen. Den Bewohnern der Friedrichstadt und der Wilsdruffer Vorstadt dürften die zusätzlichen Einkaufsmöglichkeiten willkommen sein, denn derzeit ist das Angebot an Geschäften in beiden Stadtteilen überschaubar.

Die Aufnahme aus dem Jahr 1910 zeigt, wie die Bahnsteighalle einst ausgesehen hat.
Die Aufnahme aus dem Jahr 1910 zeigt, wie die Bahnsteighalle einst ausgesehen hat. © Verlagsbildarchiv Sonnenblumenverlag

Zwar sind auch im Neubaukomplex an der Ecke von Weißeritz- und Friedrichstraße neue Läden und gastronomische Einrichtungen geplant. Danny Berger von der Deutschen Bahn befürchtet dennoch keine Konkurrenz. Berger kümmert sich um die Vermarktung der Ladenflächen und sieht in einer Vielzahl an Angeboten eher den Vorteil, damit noch mehr Kunden an den Standort zu holen.

Derzeit gibt es die ersten Gespräche zwischen Stadtverwaltung und Deutscher Bahn. Auf der Immobilienmesse Expo Real, die vom 4. bis 6. Oktober in München stattfindet, will die Deutsche Bahn das Projekt präsentieren. „Im Gebiet Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen steht es auf der Prioritätenliste unseres Unternehmens ganz oben“, erklärt Berger. Er rechnet damit, dass der Umbau Ende 2017 beginnen könnte, die Bauzeit dauert eineinhalb Jahre.

Obwohl es sich viele Dresdner wünschen: Der Wiederaufbau der historischen Bahnsteighalle ist vorerst nicht geplant. Ebenso wenig eine Erweiterung des Bahnhofs etwa durch einen Anbau. Vielmehr sollen die bestehenden Flächen modernisiert, die Steinbögen unterhalb der Bahntrasse verglast werden. Als Betreiber für die Geschäfte kommen Bäckereien, Fastfoodketten, Lebensmitteldiscounter, Drogeriemärkte und Buchhändler infrage. Sie sollen den derzeit eher unscheinbaren Bahnhof mit Leben füllen. Dieser stand einst sogar als Zentralbahnhof zur Debatte. Für den Neubau an der Wettiner Straße wurde ab 1891 das Flussbett der Weißeritz umverlegt. Am 1. August 1896 rollten die ersten Züge über die Gleise, zunächst im Durchgangsverkehr. Erst ein Jahr später wurde der Bahnhof in Betrieb genommen. Die 100 Meter lange und 36 Meter breite Bahnsteighalle überspannte sechs Gleise. Architektonisch orientierte sich der Entwurf an den Berliner Bahnhöfen Alexanderplatz und Friedrichstraße. Vier Türme verzierten die Eckpfeiler der Halle, große Rundbogenfenster die Längsseiten.

Unterhalb der Gleise – also dort, wo die neuen Geschäfte entstehen sollen – waren die Eingänge, Fahrkarten- und Gepäckschalter, Wartesäle und eine Gaststätte untergebracht. Nicht alle Bahnhöfe waren zu jener Zeit derart gut ausgestattet – ein Indiz dafür, wie wichtig die neue Station in Mitte für den Pendlerverkehr offensichtlich war. Auch deshalb war er immer wieder im Gespräch, wenn es um einen Dresdner Hauptbahnhof ging. Konkret wurden die Pläne im Dritten Reich: Die Nationalsozialisten wollten die Halle erheblich vergrößern, ein riesiger Vorplatz sollte Platz für Aufmärsche und Kundgebungen bieten. Doch dazu kam es nicht – der Zweite Weltkrieg brach aus, bei der Bombardierung wurde die Halle beschädigt. Umstritten ist allerdings, ob der Abriss 1953 wirklich nötig war, denn die Schäden waren wohl nicht so verheerend. Heute erinnert nur noch ein Eckpfeiler an die einstige Bahnsteighalle.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg favorisierten die Planer den Standort für einen Hauptbahnhof. Realisiert wurde die Idee nicht. Weil der Name des Adelsgeschlechts nicht ins sozialistische System passte, wurde 1946 aus dem Wettiner der Bahnhof Mitte. Anfang der 1990er-Jahre gab es erstmals den Plan für einen Einkaufsbahnhof – allerdings in deutlich größeren Dimensionen als heute. Die gläserne Bahnhofshalle mit Läden und Büros auf zwei Etagen war letztlich zu teuer. 2001 wurde der Bahnhof saniert, vier Jahre später eröffnete mit dem Servicepunkt der Deutschen Bahn das erste Geschäft.

Nun folgt der schon lange angekündigte Ausbau der restlichen Flächen. Dabei sollen unter den Gleisanlagen auch zusätzliche Parkplätze entstehen.