Von Mirko Kolodziej
Am Dienstag brachte René Piwarz aus Neustadt/Spree seine Tochter zum Zug an den Hoyerswerdaer Bahnhof. Hinterher beklagte er sich per Mail bei der Bahn über die inzwischen übliche Pfütze im Tunnel zu den Bahnsteigen. Sie hätte es unmöglich gemacht, trockenen Fußes an den Ticketautomaten zu kommen. „Mein Vorschlag: Installieren Sie den Automaten im oberen Bereich. Es gibt eine wunderschöne Bahnhofshalle“, riet der Neustädter in der Beschwerde.
Nur: Besagte Bahnhofshalle ist jetzt auch nicht mehr zu betreten. Ziemlich genau 138 Jahre nach der Eröffnung des Gebäudes ist es künftig verriegelt und verrammelt. Im Juni hatte die Bahn den letzten Mietern, nämlich den Taxibetrieben Seidel, Klitzing und Prüfer sowie ihrer gemeinsamen Taxiruf-Zentrale gekündigt. Sie will den Bahnhof schließlich schon seit gut einem halben Jahrzehnt loswerden – bisher vergeblich. Am Dienstag nun begannen die Taxler – alles in allem immerhin rund 70 Leute – mit dem Umzug ins Süba-Bürohaus im Industriegelände. Nun wurden die beiden bekannten Rufnummern 408080 und 913333 von der Telekom in die Straße E umgeklemmt. Nach Schließung und Abriss der Standkasse am Busbahnhof war der Taxiruf exakt 14 Jahre lang im Bahnhof zu finden und Taxler Michael Seidel sagt, man habe sich dort auch sehr wohl gefühlt.
Für die allermeisten Taxikunden wird der erzwungene Umzug wohl unbemerkt bleiben. „Zu 90 Prozent lebt das Geschäft der Taxiunternehmen von Anrufen“, erklärt Michael Seidel. Die Leute vom Taxiruf hatten sich auch andere Büros angesehen, aber ausschlaggebend waren die richtigen Raumgrößen sowie das reichhaltige Angebot an Parkplätzen vor dem Süba-Bürohaus. Dazu kommt, dass die Taxi-Unternehmen ein Gebäude auf dem benachbarten Betonwerks-Gelände als Fahrzeughalle angemietet haben. Zieht man vor allem den Umstand ins Kalkül, dass es mit dem Parken am Bahnhof nicht so einfach ist (Gemeint sind nicht die Standplätze für die Taxen. Daran ändert sich nichts.), dann dürften sich die Bedingungen für die Taxi-Leute sogar verbessert haben. Nur ist nun eben gar keiner mehr am Bahnhof, der Auskünfte geben kann. Zudem haben die Taxiruf-Mitarbeiter bisher auch Bustickets oder -Fahrpläne verkauft. Und wie Michael Seidels Frau Anke erzählt, seien besonders ältere Menschen, die öfter auf ein Taxi angewiesen sind, bis jetzt auch gern einmal ins Büro gekommen. Es habe schon relativ viel Publikumsverkehr gegeben, berichtet Anke Seidel Nicht zu helfen sein wird den Fahrgästen, die künftig am Bahnhof ohne Unterstand sein werden. Schon im Sommer, als die beabsichtigte Schließung des Bahnhofs ruchbar wurde, hatte Bahnsprecher Jörg Böhnisch empfohlen: „Reisende nutzen dann bitte Unterstellmöglichkeiten auf den Bahnsteigen beziehungsweise unter dem Bahnhofsdach.“ Und so ist es auch kein Wunder, dass die Bahn derzeit nicht groß darauf hinweist, dass ein seit 1873 üblicher Umstand, nämlich die Möglichkeit, die Wartehalle zu betreten, sich kurzerhand ändert. Nur der Taxiruf weist seine Kunden mit Fenster-Aufklebern auf den Umzug hin.
Aber es ist ja auch in den letzten Jahren nicht unbedingt so gewesen, dass das Unternehmen sich Umstände gemacht hätte. Die Wartehalle nachts zu- und morgens wieder aufgeschlossen haben seit Jahren die Leute vom Taxiruf. Ihnen war nun auch das finale Umdrehen des Schlüssels überlassen.