SZ +
Merken

Bald ein Piratenschiff auf der Elbe

Elbschifffahrt. Was geschieht mit den Passagierschiffen im Winter? Was machen die Besatzungen? Wann geht es wieder los? Die SZ hat nachgefragt.

Teilen
Folgen

Von Udo Lemke

Still ruht der See – besser die Elbe. Zwar ziehen ab und an einige Lastkähne auf dem Fluss dahin, doch von Personenschiffen ist weit und breit nichts zu sehen: Doch „glaube nur nicht, ein eisernes Dampfschiff müsste nicht aufs Dock gehen!“. Das Sprichwort aus dem fernen Malaysia trifft´s auch hier genau. Zumindest, was die Sächsische Dampfschifffahrts GmbH & Co. Conti Elbschifffahrts KG – kurz: die Dresdner Weiße Flotte – anbelangt. Die hat nämlich gerade einen ihrer neun historischen Raddampfer in der Roßlauer Schiffswerft zu liegen. Schon seit vergangenem Oktober wird am ältesten Schiff der Flotte, der „Stadt Wehlen“, gearbeitet. Dem 1879 vom Stapel gelaufenen Veteranen „mussten im Maschinenbereich ein neuer Schiffsboden und neue Seitenwände eingesetzt werden“, erklärt Manfred Flügel von der Roßlauer Werft. Um dies zu bewerkstelligen, ist der knapp 60 Meter lange Dampfer mittels Slipanlage aufs Trockene gezogen worden. Dann wurden die Dampfmaschine und die Kessel ausgebaut und die neue, stählerne Außenhaut „aufgezogen“. „Die Wehlen wird zu Ostern wieder in Dresden sein“, so Flügel.

Riesa nicht attraktiv

Doch nicht alle Schiffe der Weißen Flotte befinden sich zu Reparaturen auf der Werft, oder liegen vor Anker im Hafen. Der Winterfahrplan weist eine Schlösserfahrt vom Dresdner Terrassenufer vorbei an den drei Elbschlössern, unter dem „Blauen Wunder“ hindurch zum Schloss Pillnitz und zurück aus. Daneben gibt es eine „Kleine Rundfahrt“ bis zum „Blauen Wunder“ und zurück, ohne Halt. Zudem können Schiffe für Fahrten gechartert werden. „Das, was wir in den fünf Monaten, von November bis März, einschließlich der Fahrten zu Weihnachten verdienen, setzen wir im Mai in einer Woche um, so krass ist das Verhältnis“, erklärt Michael Lohnherr. „Wir machen das nicht, um Geld zu verdienen, sondern um Flagge zu zeigen“, fügt der Geschäftsführer der Sächsischen Dampfschifffahrt hinzu.

Flagge auf der Strecke zwischen Meißen und Riesa zu zeigen, beabsichtigt die Sächsische Dampfschifffahrt auch künftig nicht. „Die Strecke ist zu lang und damit unwirtschaftlich“, begründet Lohnherr. Man müsste 8 Uhr in Dresden starten und wäre 19 Uhr zurück, „da fährt kein Mensch mit“.

Neues Dach auf der Clara

Es bleibt also dabei, die Weiße Flotte wagt sich nur bis Diesbar-Seußlitz vor. Ab 25. März wird die „Krippen“ wieder die so genannte Elbtallinie befahren. Auf die Frage, was die Besatzung bis dahin macht, antwortet Lohnherr, dass sie ihr Arbeitszeitkonto abfeiere. Derzeit beschäftige die Gesellschaft 80 Ganztagsmitarbeiter, sechs Auszubildende eingeschlossen. In der Hauptsaison von Mitte April bis Mitte Oktober hätten diese eine Sechs-Tage-Woche mit zwölf bis 14 Arbeitsstunden am Tag. Die dadurch auflaufenden Überstunden würden nun abgesetzt.

Auch die Mannschaft der „MS Riesa“ ist zu Hause, wie Daniela Schwarze von der Elbe-Events-Riesa GmbH, die das Schiff gepachtet hat, erklärt. Anders als bei der Sächsischen Dampfschifffahrt werden der Kapitän und die drei Besatzungsmitglieder immer nur für die Saison eingestellt, also von Ende März bis Ende Oktober. „Die MS Riesa“ fährt elbaufwärts bis Dresden und elbabwärts bis Torgau, für Hin- und Rückfahrt benötigt sie dafür zehn bzw. elf Stunden. Das 25 m lange Personenschiff bietet 50 Plätze im beheizbaren Salon, 48 Plätze auf dem überdachten Sonnendeck und noch einmal 30 Freideckplätze. Bevor es am 27. März mit der Saisoneröffnungsfahrt mit musikalischen Frühschoppen wieder losgeht, heißt es Großreinemachen und neu Bestücken, so Schwarze. Ab dann gilt, was das estnische Sprichwort weiß: „Eher endet in der Hölle das Feuer als auf dem Schiff die Arbeit.“ Ein Großteil der Arbeit für die neue Saison ist auf der „Clara von Assisi“ bereits geleistet. „Wir haben im Dezember ein neues Dach angebaut, das ist richtig gedämmt“, sagt Jens-Erik Beier, der Halter des Schiffes, das in Niederlommatzsch vor Anker liegt. Bis zum Saisonstart am 1. März, mit einstündigen Rundfahrten entlang der Elbweindörfer, werden auch Technik und Maschine gewartet und ein neues Funkgerät im Steuerstand eingebaut sein.

Anlegestreit beendet

Zwischenzeitlich erledigt hat sich der Streit mit der Sächsischen Dampfschifffahrt um die Gebühren für das Festmachen an deren Anlegern. Die Dampfschifffahrt hatte die Betreiber der „Clara von Assisi“ wegen des aus ihrer Sicht unerlaubten Anlegens in Radebeul verklagt. Dabei ging es um 30 Euro pro Anlegevorgang. Dampfschifffahrtschef Lohnherr unterstreicht noch einmal seine Position: „Wenn ich jeden anlegen lasse, wie er will, haben wir bald das totale Chaos.“

Der für den 11. Januar anberaumte Gerichtstermin fand nicht statt, weil „die eine Woche vorher die Anlegegebühren bezahlt haben“. Für „die“ bestätigt Beier: „Es besteht weiterhin Anlegeverbot für uns an den Anlegestellen der Sächsischen Dampfschifffahrt, da kann man nichts mehr machen.“ Allerdings habe die für 130 Personen zugelassene „Clara“ genügend Anlegestellen, so in Riesa, Niederlommatzsch, Meißen, Dresden und Rathen, erklärt Beier.

Piratenschiff in Arbeit

Doch er und „Clara“-Kapitän Steffen Zeuner lassen sich von diesem Rückschlag nicht entmutigen. Ganz im Gegenteil, derzeit bauen sie einen abgewrackten Kiesfrachter zum Piratenschiff um. Doch nicht, um damit künftig die Anlegestellen der Weißen Flotte zu entern, sondern um bei Niedrigwasser ein zweites Schiff in der Hinterhand zu haben. Bei nur 25 Zentimeter Tiefgang kann das Piratenschiff auch noch auslaufen, wenn alle anderen passen müssen. Zeuner will das Schiff mit Segel, Mast, Aussichtsplattform, Galionsfigur und Kanonenattrappen im Juni zu Wasser lassen.

Übrigens: Sollten Sie Ende des Monats ein Schaufelraddampfer auf der Elbe bei Riesa sehen, dann handelt es sich weder um die verfrühte Aufnahme des Sommerfahrplans durch die Sächsische Dampfschifffahrt noch um einen Sinneswandel in Richtung Riesa. Es handelt sich um die „Dresden“ auf dem Weg zur Werft nach Roßlau. Dort soll ihr Schiffsboden des Schaufelraddampfers kontrolliert, die Ruderanlage instand gesetzt und Überholungsarbeiten an der Dampfmaschine vorgenommen werden. Wie sagen doch die Engländer: „Ein Schiff bedarf zu allen Zeiten der Ausbesserung.“