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Balkon ohne Sonnenlicht

Ein großer Neubau sorgt für Schatten in der Dürerstraße. Für sonnenhungrige Mieter ein Ärgernis.

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© Christian Juppe

Von Nora Domschke

Pudel Ronny nimmt’s gelassen. Dem Rüden reicht es vollkommen, wenn Herrchen Klaus Egemann regelmäßig mit ihm Gassi geht. Dass der Balkon seines Besitzers künftig kaum einen Sonnenstrahl mehr abbekommt, spielt für ihn wohl keine Rolle. Für Klaus und Renate Egemann ist das indes ein großes Ärgernis. Denn der Balkon auf der Südseite des Johannstädter Wohnblocks war ein wichtiges Kriterium bei der Wohnungswahl vor vier Jahren. Ein Frühstück in der warmen Frühlingssonne wird es dort allerdings nicht mehr geben.

Denn seit einigen Wochen sorgt ein siebenstöckiger Neubau an der Ecke von Dürer- und Fetscherstraße für Schatten auf den einst sonnigen Balkonen am gegenüberliegenden Wohnhaus. Auf dem ehemaligen Areal der Eurofuchser-Baracke rollen seit diesem Jahr die Bagger. Vom Wohnzimmer aus blickt Familie Egemann direkt auf die Baustelle. Zehn Monate mit Baulärm liegen hinter dem Rentner-Ehepaar. „Im Sommer war es besonders schlimm“, sagt Renate Egemann. Sie und die anderen Bewohner des Hauses wandten sich an ihren Vermieter. Immerhin – die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ) handelte mit dem Investor des Neubaus eine Einmalzahlung für die Betroffenen aus. Das Unternehmen ZBI Zentral Boden Immobilien zeigte sich einsichtig: 174 Euro bekamen Egemanns erstattet – als Ausgleich für die Störungen.

Ungelöst bleibt indes das Problem mit dem Sonnenlicht. „Ich bin total fertig deswegen“, sagt die 72-Jährige. Denn die Wohnung in der Johannstadt war Liebe auf den ersten Blick. Nicht zuletzt wegen des Balkons. 2012 verkaufte das Ehepaar das Einfamilienhaus in Radeburg, zog zu Tochter, Enkeln und Urenkeln nach Dresden. „Das Haus in der Dürerstraße war perfekt, weil es auch einen Aufzug gibt“, sagt Renate Egemann. Ihr Hüftleiden war vor vier Jahren einer der Gründe für den Umzug. In der Johannstadt fühlen sie sich wohl, hier sind sie angekommen. Ärzte und Einkaufsmöglichkeiten sind fußläufig zu erreichen, die Nachbarn sind nett. Als das neue Haus gegenüber immer höher wuchs, kamen erste Zweifel. Und tatsächlich wirft das Gebäude Schatten. Eine Situation, mit der sich Renate Egemann nicht abfinden will.

Trotz aller Umstände, körperlich wie finanziell, denkt das Ehepaar über einen erneuten Umzug nach. Und hofft auf Unterstützung durch die WGJ – entweder in Form einer anderen Wohnung oder mit einem Zuschuss zu den Umzugskosten. Rechtlich verpflichtet sei die Genossenschaft dazu nicht, sagt Mathias Wagner vom Dresdner Mieterverein. Prinzipiell müssten Bewohner jederzeit damit rechnen, dass eine freie Fläche innerhalb eines Wohngebietes bebaut wird. Auf dem Johannstädter Areal stand vor vier Jahren aber noch die Baracke mit dem Eurofuchser-Geschäft. „In diesem Fall müsste das individuell geprüft werden“, so Wagner. Dennoch sieht der Experte keine großen Erfolgsaussichten dafür, dass ein Gericht im Sinne von Familie Egemann entscheidet. „Das würde nur passieren, wenn der sonnige Balkon Bestandteil des Mietvertrags wäre.“ Ist er aber nicht.

WGJ-Vorstand Alrik Mutze kann den Ärger seiner Mieter verstehen. Allerdings verweist er darauf, dass die Dürerstraße ursprünglich mit ähnlich hohen Häusern bebaut war. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie zerstört. „Es war abzusehen, dass der Investor seine Möglichkeiten auf dem Grundstück ausschöpft und die Gebäudehöhe an die noch bestehenden Altbauten anpasst.“ Dennoch sei die WGJ bereit, gemeinsam mit Renate und Klaus Egemann nach einer Lösung zu suchen. „Wir müssen einfach schauen, ob eine ähnliche Wohnung mit sonnigem Balkon frei ist.“