Von Matthias Nicko
Manchmal reichen 99 Luftballons nicht aus, um den Kriegsministern dieser Welt den Wind des Protests entgegen zu blasen. Und so schickten Görlitzer Pennäler – anders als Rocksängerin Nena – gestern gleich 600 solcher Flugobjekte auf die Reise. Begleitet von großem Gejohle stiegen die bunten Trauben Punkt 16 Uhr vom Marienplatz in den Himmel.
Bis Washington werden es die Ballons zwar nicht schaffen, aber das „Nein“ der Schüler zum Irak-Krieg der USA ist inzwischen zumindest schon auf die Bürger von Zgorzelec hernieder geschwebt.
Auch auf T-Shirts und Taschen ließen die etwa 300 Schüler die 100 Kundgebungsteilnehmer wissen, dass sie über Unrecht nicht den Mantel des Schweigens hüllen. Neben Picassos Friedenstauben stand zu lesen: „Let‘s talk about peace“.
Die Initiative zu der Aktion ging von Schülern des Augustums aus. Elftklässlerin Anna Mühle, die dort stellvertretende Schulsprecherin ist, brachte das Anliegen der Jugendlichen auf den Punkt: „Wir wollen die Idee des Friedens in die Welt hinaus tragen, anstatt nur vor dem Fernseher zu sitzen. Denn mit den Militärschlägen sind wir nicht einverstanden.“
Vor zwei Wochen begannen die Vorbereitungen für die Demo. Unter anderem entstanden jene 400 Zettelchen, die an den Ballons baumelnd die Botschaft „Kein Krieg!“ verkündeten.
Für das Befüllen der Flugkörper hatten die Pennäler Helium benutzt, wobei die Hälfte der vier Gasflaschen von einem Görlitzer Tierarzt zur Verfügung gestellt worden war.
Zudem unterstützten der Jugendrat der Stadt sowie die Fördervereine von Augustum, Annen- und Curie-Gymnasium den Protest. „Demnächst gibt es einen Kuchenbasar“, blickte Anna Mühle voraus. Schließlich gilt es auch, Gelder für den Wiederaufbau eines irakischen Kinderheims aufzutreiben. Dabei soll der Verkauf von Anti-Kriegs-Aufklebern und -Postkarten helfen.
Auf dem Marienplatz meldeten sich während der Demonstration auch ältere Teilnehmer zu Wort. Durchs Megaphon prangerten sie jegliche Auswüchse von Gewalt an und empörten sich zugleich über die Arroganz der Macht, die inzwischen bis zur Missachtung der Uno geführt habe.
Die 64-jährige Görlitzerin Lilo Nischwitz trug ein Schild mit der Aufschrift „Frieden schaffen ohne Waffen“ um den Hals. Sie nannte es „ganz wichtig, den Jugendlichen zu zeigen, dass wir Erwachsenen dasselbe wollen wie sie“.
Etwa Heinz-Jürgen Klein, am Augustum Lehrer für Musik, Geschichte und Religion. Er war auf Einladung seiner Schüler gekommen und sagte: „Ich möchte mich mit ihnen solidarisieren. Schließlich sind wir, was den Irak-Krieg betrifft, einer Meinung.“
Annen-Gymnasiastin Luise Nixdorf (15) trug das Gedicht „Das letzte Kapitel“ von Erich Kästner vor. Darin macht sich ein Fliegergeschwader am 12. Juli 2003 von Boston aus auf, um die Welt zu vernichten. Görlitz setzte gestern ein Luftballongeschwader dagegen.