Von Kerstin Fiedler
Die Presslufthämmer sind schon von Weitem zu hören. Seit Wochen arbeiten Mitarbeiter einer Abrissfirma aus dem Erzgebirge hier. Große Container stehen vor dem ehemaligen Schuleingang. Die Absprachen von Bauleiter Steffen Böhme mit Firmenchef Axel Neubert sind kurz und präzise. Vor allem, wenn es um Details geht. Denn was erst einmal abgerissen ist, kann so schnell nicht wieder aufgebaut werden. So wie im ersten Obergeschoss, wo einst die Schulleiter ihr Zimmer hatten. Hier kam ein Wandgemälde zum Vorschein. Und die Wand ist keine tragende.


Das Signum auf dem Bild zeigt, dass es von Günter Hain stammt. Hain lebte von 1916 bis 1997. Er wurde in Görlitz vor allem bekannt durch seine Stadtansichten, aber auch für seine Comics, die er zu DDR-Zeiten für die Jugendzeitungen Atze und Frösi schuf. Er arbeitete in Görlitz auch für die Sächsische Zeitung. Was nun mit dem Wandbild wird, muss Steffen Böhme erst einmal mit seinem Auftraggeber abstimmen. „Es wird wohl an dieser Wand nicht zu erhalten sein, da sie laut Plan wegkommt. Mal sehen, was wir damit machen“, sagt er. Ähnlich verhält es sich auch mit den Säulen im Eingangsbereich, die Szenen aus dem Heide- und Teichland zeigen. Zumindest diese Säulen werden nicht abgerissen, sie werden für die Statik des Gebäudes gebraucht.
Statiker ist immer vor Ort
Doch auch ohne diese kleinen Details gibt es noch mindestens einen Monat Arbeit für die Abrissfirma. Die Fußböden müssen zum Beispiel alle raus, Türen, Fliesen und die alten Sanitärablagen verschwinden. Teilweise werden Tragkonstruktionen untersucht. „Der Statiker ist immer vor Ort“, sagt Steffen Böhme. Zum Beispiel auch, als es um das Fundament in einigen Zimmern geht. Da treffen sich Bruchsteinmauern mit Ziegeln. „Vielleicht sind das ja sogar noch Überbleibsel vom früheren Schloss“, fragt sich Böhme, der bedauert, dass es so wenig Unterlagen vom Bau des Hauses gibt. 1952 wurde die Schule eröffnet. Ein Neubau wurde nötig, nachdem im Krieg die alte Kirchschule zerstört wurde. Acht Klassenzimmer und ein Verwaltungstrakt waren das damals. 1992/93 kam dann die Trennung in Grund- und Mittelschule. Leider schloss die Mittelschule 2005. Für die Grundschule wurde 2008 ein neues Schulgebäude errichtet. Seitdem steht das alte Schulhaus leer. Die Gemeinde versuchte lange Zeit, es zu vermarkten. Erste Ideen, daraus ein Pflegeheim zu machen, gab es gemeinsam mit dem DRK, das bereits in Königswartha ein Heim betreibt. Doch das DRK sprang später ab. Und so wurde es zum Glücksfall, dass die Neschwitzer mit der Advita Pflegedienstgesellschaft, die ihren Sitz in Berlin hat, ins Gespräch kam. 2012 stellte der Geschäftsführer erstmals das Projekt eines Senioren-Wohnens im Gemeinderat vor. Doch bis zum Abschluss des Vertrages dauerte es weitere zwei Jahre. Doch nun nimmt das Vorhaben Gestalt an.
Der ehemalige Speiseraum verschwindet
Im Dachgeschoss ist schon alles raus. Das Dach, was bereits in den 90er Jahren einmal neu gedeckt wurde, wird nur repariert. Das Dach des Nebenflügels wird völlig neu gedeckt. Doch das passiert erst nach dem Winter. Unter anderem auch deshalb, weil vielleicht noch Fledermäuse dort ein Quartier beziehen könnten. Froh sind die Bauleute, dass es sich beim Gebäude um kein Einzeldenkmal handelt. Es wird allerdings in die Bedeutung des Parks einbezogen. „Sicht- und Bezugsachsen werden beachtet und wieder hergestellt“, sagt Steffen Böhme. Deshalb verschwindet auch der ehemalige Speiseraum hinter der Schule. Das soll noch vor dem Winter passieren. – Entstehen sollen dann 23 Ein- und Zweiraumwohnungen, in denen die Bewohner selbstbestimmt leben können und entscheiden, wann sie die Angebote der Pflegedienste in Anspruch nehmen wollen. Außerdem gibt es dann eine Wohngruppe für zwölf Personen, die an Demenz erkrankt sind. Der dritte Baustein der Anlage wird eine Tagespflege mit 30 Plätzen sein. Bauleiter Steffen Böhme, der auch schon an ähnlichen Projekten in Meißen oder gerade in Zschopau gearbeitet hat, könnte sich vorstellen, dass genau die Leute aus der Umgebung von Neschwitz, die in den 50er Jahren hier zur Schule gegangen sind, jetzt vielleicht Bewohner der Anlage werden.
Ziel ist es, im Sommer nächsten Jahres mit den Bauarbeiten fertig zu sein. Insgesamt investiert die Advita knapp drei Millionen Euro. Für die Bauarbeiten will das Ingenieurbüro Fürll & Hannemann, zu dem Steffen Böhme gehört, auch die Handwerker der Region bei den Ausschreibungen mit einbeziehen.