Ulli Schönbach
Das Lauencenter wird Bautzen verändern. Gemeinsam mit dem Kornmarkt-Center und dem Kornmarkthaus wird es ein neues Stadtzentrum bilden – südlich der historischen Altstadt. Im Idealfall entwickelt sich das neue Areal zu einem starken Magneten und zieht Tausende neuer Kunden in die Stadt.
Im schlechtesten Fall drohen Leerstand und eine Schwemme der Billigheimer. Denn nicht nur Bautzen rüstet auf. Ringsumher gibt es Pläne für neuen Einkaufszentren. Zudem wird der Ausbau der Online-Angebote den Handel in einem Maß verändern, das wir uns heute kaum vorstellen können. Weihnachtsgeschenke bei Amazon zu bestellen, ist der Anfang der Entwicklung, nicht das Ende.
In jedem Fall wird es auf diesem Weg Verlierer geben: in erster Linie die kleineren Geschäfte der übrigen Innenstadt. Der dreiste Rat, sie mögen sich doch auf die neuen Verhältnisse einstellen, zeugt von ökonomischem Unverstand. Kleine Händler können den Preiskampf mit den großen Ketten nicht gewinnen – schon deshalb nicht, weil sie vom Einkauf bis zum Bankkredit deutlich schlechtere Konditionen erhalten. Anpassen heißt für sie nichts anderes als: sich auf Nischen zurückziehen, Flächen und Personal reduzieren, und im Zweifelsfall schließen. Dies gilt erst recht in einer Region wie unserer, in der die Einwohnerzahl und die Kaufkraft in den kommenden Jahren nochmals deutlich sinken werden.
Ob das Lauencenter in dieser Situation Rettungsanker oder Sargnagel ist, darüber streiten die Fachleute – mit Leidenschaft und auf Basis kaum prüfbarer Prognosen. Letztlich ist das gesamte Projekt damit vor allem eines: ein gewaltiges Experiment – ein Großversuch mit der Zukunft der Stadt, mit Jobs, mit Menschen und am Ende auch mit dem, was Bautzen ausmacht: seiner historischen Altstadt. Ohne Handel kein Leben, das gilt gerade dort.
Wer diesen Weg gehen will, der muss deshalb sicher sein, dass er nicht allein dasteht, dass die Bautzener in ihrer Mehrheit diesen Kurs unterstützen. Der Oberbürgermeister und viele Stadträte haben das bislang für sich in Anspruch genommen. Sie waren überzeugt, im Namen der schweigenden Mehrheit zu sprechen, wenn sie für das Lauencenter eintraten. Den Kritikern warfen sie vor, eine Minderheit zu sein – laut, aber in Unterzahl.
Seit heute ist klar: Diese Vorstellung ist falsch. Das Projekt Lauencenter hat in Bautzen keine Mehrheit. Ja, es ist noch nicht einmal dicht dran. 60 Prozent der Bautzener lehnen das Vorhaben ab.
Angesichts dieser Mehrheitsverhältnisse kann der Stadtrat nicht weitermachen wie bisher. Die Stadträte können sich nicht länger darauf berufen, vor Jahren gewählt worden zu sein. Vom Lauencenter war damals noch nicht die Rede.
Gerade in dieser zentralen Frage muss sich der Stadtrat deshalb erneut die Legitimation der Bürger einholen. Er muss den Weg frei machen für einen Bürgerentscheid, so wie das drei Viertel der Bautzener fordern.