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Corona: Möbelhaus-Chef kritisiert Regel-Wirrwarr

Das Bautzener Unternehmen Multi-Möbel kommt gut durch die Krise. Trotzdem hat Inhaber Tommy Fietze einen wichtigen Wunsch an die Politik.

Von Tilo Berger
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Geschäftsführer Tommy Fietze steht im Küchenfachmarkt von Multi-Möbel an der Neusalzaer Straße in Bautzen. Weil die rund 720 Quadratmeter große Küchenabteilung als eigenständige GmbH firmiert, darf dieser Teil des Möbelmarktes öffnen, alles andere nicht.
Geschäftsführer Tommy Fietze steht im Küchenfachmarkt von Multi-Möbel an der Neusalzaer Straße in Bautzen. Weil die rund 720 Quadratmeter große Küchenabteilung als eigenständige GmbH firmiert, darf dieser Teil des Möbelmarktes öffnen, alles andere nicht. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. „Bitte die Drehtür benutzen“, heißt es auf einem Schild am Eingang. Das nächste Schild gebietet eine Mund- und Nasenmaske. Auf einem Tisch steht Desinfektionsmittel; der freundliche Mann an der Kasse bittet darum, es auch zu benutzen. Aber warum steht bei Multi-Möbel überhaupt jemand an der Kasse? Schließlich ist der Möbelmarkt an der Neusalzaer Straße in Bautzen weit größer als 800 Quadratmeter - die aktuelle Schallmauer für die Öffnung oder Schließung eines Geschäfts seit der ersten Lockerungen der Corona-bedingten Einschränkungen.

Dass sich die Tür dreht, jemand an der Kasse steht und Licht brennt, verdankt Inhaber Tommy Fietze der Unternehmensstruktur. Denn zu Multi-Möbel gehört auch ein Küchenfachmarkt, der aber als eigenständige GmbH firmiert. Und dieser Küchenfachmarkt misst nur etwa 720 Quadratmeter. Er darf also öffnen, während die anderen 3.780 Quadratmeter Ladenfläche geschlossen bleiben müssen.

Und das ist auch nicht zu übersehen. Möbel und Absperrbänder bahnen einen Weg zwischen Kasse und Küchenabteilung. Wer da links oder rechts der Absperrung vielleicht eine zur neuen Küche passende Sitzgarnitur oder Kochtöpfe entdeckt, hat derzeit Pech. Die Küche darf gekauft werden, der Kochtopf nicht.

Gleiche Größe, unterschiedliche Regelungen

Und so läuft es derzeit in allen sächsischen Multi-Möbel-Filialen, also auch in Bischofswerda, Radeberg, Heidenau, Görlitz, Markersdorf und Zittau. Nicht aber im thüringischen Kirchhasel und im brandenburgischen Neuruppin. „Unsere Größenverhältnisse sind überall etwa gleich“, erklärt Fietze. Etwa 4.500 Quadratmeter Gesamtfläche, davon gut ein Sechstel Küchenfachmarkt. Aber in Thüringen und Brandenburg dürfen Geschäfte über 800 Quadratmeter wieder öffnen. Dort können Kunden also nicht nur nach einer neuen Küche Ausschau halten, sondern auch nach allen anderen Möbeln.

Tommy Fietze akzeptiert die Vorschrift in Sachsen natürlich, aber er selbst würde sie anders treffen – jedenfalls für große Möbelhäuser. Der Unternehmer macht eine einfache Rechnung auf: Aus Erfahrung weiß er, dass pro Stunde etwa fünf Kunden kommen. Natürlich hinkt diese Durchschnittszahl, aber auch ein paar mehr Besucher könnten sich auf 4.500 Quadratmetern Verkaufsfläche locker aus dem Weg gehen.

Als im März alle Verkaufsstellen außer Supermärkten, Apotheken und Co. schließen mussten, schickte Fietze insgesamt mehr als 100 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Inzwischen konnte er wenigstens die Küchenteams zurückholen, aber immer noch warten über 80 Kurzarbeiter auf den erlösenden Anruf. Den Küchenmonteuren gab die Geschäftsführung ein Schreiben in die Hand, das sie ihren Kunden in deren Wohnung gern zeigen dürfen. Darin ist nämlich der Mindestabstand zwischen Monteur und Kunde festgehalten – schließlich wollen immer wieder Küchenkäufer den Fachleuten bei ihrer Arbeit über die Schulter sehen.

Wenn es gar nicht anders geht, dürften die Monteure auch die Arbeit einstellen. „Aber das ist bisher nicht vorgekommen“, weiß Fietze. „Die Kunden sind sehr diszipliniert, der Mindestabstand wird überall eingehalten.

Finanzielles Polster hilft

“Wirtschaftlich haut die Corona-Zwangspause das Unternehmen nicht um. „Wir haben in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und uns ein finanzielles Polster geschaffen. So, wie wir es gelernt haben“, sagt Tommy Fietze, der das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Maik führt, seit Vater Gerd vor einem Jahr bei einem tragischen Unfall ums Leben kam. „Wir wirtschaften nicht auf Messers Schneide.“ Mit dem Finanzpolster kommt Multi-Möbel durch die Krise, obwohl das Geld eigentlich für Investitionen eingeplant war. 

Auf irgendwelche Fördergelder hat sich das Unternehmen noch nie verlassen. Aber im Interesse anderer Mittelständler stört es den Bautzener Möbelhändler, dass es keine bundeseinheitlichen Regelungen für Hilfen in der Corona-Krise gibt. Natürlich weiß Fietze, dass es derzeit nicht nur seinem Unternehmen so geht. Die Dortmunder Billigkette Tedi beispielsweise wartet auf das Signal zum Öffnen der neuen Filiale im Bautzener Kaufland – die Fläche ist mit 820 Quadratmetern ein kleines Stück zu groß.

Das Sporthaus Timm an der Bautzener Goschwitzstraße bietet jetzt ein kleines Sortiment im leer stehenden Geschäft an der Ecke Innere Lauenstraße/Schulstraße neben dem Kornmarkt-Center an. Doch Multi-Möbel kann nicht mal eben ein paar Schlafzimmer und Anbauwände in einem Ausweichgeschäft aufbauen. Also bleibt Tommy Fietze und seiner Mannschaft nur die Hoffnung, vorerst viele Küchenkäufer zu begrüßen und bald wieder alles öffnen zu dürfen. Das könnte in der kommenden Woche soweit sein. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SDP) kündigte am Dienstag eine neue Regelung für größere Geschäfte an. Einen Beschluss dazu will die Staatsregierung am Donnerstag fassen.

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