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Bautzens jüngste Erwerbung

Auf dem Lubasberg dicht vor Niedergurig stehen zwei Wohnhäuser. Mit ihren rund 20 Einwohnern zählen sie erst seit Anfang 2006 zur Kreisstadt.

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Von Christoph Scharf

Jetzt im Herbst ist der Ausblick aus dem Esszimmer am schönsten. Durch die entlaubten Wipfel der Eichen und Birken schweift der Blick weit über den Stausee. Die beiden zweigeschossigen Mehrfamilienhäuser auf dem Lubasberg liegen in reizvoller Umgebung. Zu ihnen gelangt man nur über eine Sackgasse, die für fremde Autos gesperrt ist. „Betriebsgelände“ verkündet ein Schild der Landestalsperrenverwaltung an der Einfahrt, die vor knapp 40 Jahren in den Granithügel gesprengt wurde.

Denn die kleine Siedlung an der Nordostecke des Stausees hängt eng mit dem Bau der Talsperre zusammen. Ursprünglich waren hier Bauarbeiter untergebracht, die den Damm errichteteten. Aber schon damals war vorgesehen, dass später Personal der Talsperre einzieht. „Mit meiner Frau war ich schon beim Bau der Häuser immer wieder mal gucken“, erinnert sich Wolfgang Sickor, der seit 36 Jahren auf dem Lubasberg wohnt. 35 Jahre davon lebte er allerdings in Niedergurig beziehungsweise Malschwitz: Denn die beiden Häuser auf dem Lubasberg wurden erst Anfang 2006 nach Bautzen eingemeindet.

Wobei „eingemeindet“ nicht ganz das richtige Wort ist. Der Hügel lag schon vorher auf Burker und damit Bautzener Grund und Boden. Nur hatte das zunächst niemand gemerkt, so dass die rund 20 Bewohner des Lubasbergs als Malschwitzer geführt worden. Erst 2005 stellte das Bautzener Ordnungsamt fest, dass da etwas nicht stimmt. Flugs bekamen die Leute Post und persönlichen Besuch des Oberbürgermeisters – der allerdings kein Begrüßungsgeld mitbrachte.

„Wir wollten gar nicht zu Bautzen“, sagt Wolfgang Sickor. „Niedergurig liegt uns doch viel näher.“ Aber viel zu merken war von der Eingemeindung sowieso nicht. Lediglich Behördengänge oder Wahltermine sind jetzt in Bautzen zu erledigen. Deutlich größeren Ärger macht den Bewohnern der Besitzerwechsel bei ihren beiden Wohnblocks: Als ehemalige Landesimmobilie werden die Häuser von A nach B gereicht, ohne dass sich jemand um eine Sanierung kümmern würde. So zeigen sich die Häuser noch im selben Grau wie 1975. Dafür halten die Bewohner das Umfeld in Ordnung: Das Laub ist gefegt, der Rasen vor dem Haus geschnitten, gleich nebenan hat jede Mietpartei ihren Garten.

Die Bundesstraße lärmt

Ganz unkonventionelle Methoden haben in den Siebzigern dafür gesorgt, dass der steile Hang einem kleinen Plateau wich. Mit kleinen Aufmerksamkeiten wurden die Lastwagenfahrer beim Talsperrenbau dazu gebracht, immer mal wieder etwas abzufahrende Erde abzukippen – worauf jetzt Blumen- und Gemüsebeete entstanden sind.

Die Idylle wäre fast perfekt, würde nicht nebenan die Bundesstraße entlanglaufen. Auf der B156 dröhnen Laster, Autos, Motorräder vorbei. „Wir können nur bei geschlossenen Fenstern schlafen“, sagt Sickors Frau Irmgard. „Früher war das nicht annähernd so schlimm.“ Und ungebetener Besuch stört die Ruhe der Anwohner. Immer wieder lagern Unbekannte ihren Müll ab, auch ein aufgebrochener Tresor lag schon im Wald. Und Lagerfeuer von Anglern dünsten die zum Trocknen aufgehangene Wäsche.

Doch trotz aller Widrigkeiten: „Ich lebe hier seit 36 Jahren und hier möchte ich auch bleiben“, sagt Wolfgang Sickor. „Dafür hänge ich viel zu sehr an diesem Stückchen Erde und der Nähe zum Wasser.“