Von Miriam Schönbach
Bautzen. Vielleicht ist es ein schöner Sommertag, der 30. Juni 1741, als Johann Christoph Prentzel in Budissin aus der Kutsche steigt. Eine einmonatige Reise liegt hinter dem 23-jährigen Jüngling. Er kommt geradewegs aus London mit einer soliden kaufmännischen Ausbildung und einem Empfehlungsschreiben des Kaufmanns Heinrich Vogel. Diese Zeilen öffnen dem Neuankömmling die Türen zum Haus des wohlhabenden Leinwandhändlers Johann Georg Benade. Einhundert Jahre später werden die Bautzener mit einem großen Fest an die Ankunft Prentzels erinnern..


Diesen Nachruhm erarbeitet sich der Kaufmann mit „Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit“, wie es in einer Schrift über ihn aus dem Jahr 1870 heißt. „Schließlich galt er bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts als einer der größten Wohltäter der Stadt“, sagt Grit Richter-Laugwitz. Anlässlich des 300. Geburtstags des vergessenen Mäzens hat sich die Leiterin des Archivverbunds anhand zahlreicher Akten mit dem Leben von Johann Christoph Prentzel beschäftigt.
Früher Tod des Vaters
Geboren wird er am 8. März 1718 in Lauban. Sein Vater ist Christoph Prentzel, angesehener Handelsmann und Oberältester der Leinweber. Seine Mutter Anna Dorothea stammt aus der angesehenen Tuchmacherfamilie Jeremias Gottlob Rüdinger.
Durch den Tod des Vaters wird der junge Johann früh Halbwaise. Doch der Stiefvater ermöglicht ihm eine Ausbildung als Gehilfe beim Zittauer Kaufmann Johann Friedrich Junge. Die Stadt an der Mandau verlässt der junge Mann 1740. „Er geht auf Wanderschaft und reist über deutsche Handelsstädte, wie Leipzig, Magdeburg und Hamburg in die Niederlande und dann nach England“, sagt Grit Richter-Laugwitz. Ein Jahr schnuppert Johann Christoph Prentzel die Luft der großen, weiten Welt. Es ist die Zeit der Aufklärung und damit der Beginn der Moderne in Europa. Die Aufklärer fordern Gleichheit und Freiheit für alle Menschen. Durch Bildung sollen sie sich von ihrer Unmündigkeit befreien.
Dieser Gedanke wird den jungen Kaufmann nicht wieder loslassen. Mit dem Kopf voller Ideen kehrt er zurück nach Deutschland, seine Reise endet an eben jene Tür des Bautzener Kaufmanns Benade. Als Türklopfer dient ein Ring in einem Löwenmaul, die Klinke ist eine Löwenpfote. Bis heute zieht das Portal auf dem Fleischmarkt die Blicke der Touristen auf sich.
Der junge Mann steigt in der Firma schnell auf. Für sechs Taler erwirbt er 1744 das Bürgerrecht der Stadt. Danach heiratet er die Tochter seines Chefs. Sie verstirbt bei der Geburt des ersten Kindes. Der Schwiegervater folgt ihr 1746.
Florierenden Leinwandhandel aufgebaut
Auch als die beiden Schwager sterben, holt sich Johann Christoph Prentzel seinen jüngeren Bruder Christian Gottfried zur Unterstützung nach Budissin. Mit Unternehmergeist bauen sie den florierenden Leinwandhandel aus. Ihre Waren gehen nach Frankreich, England, Spanien, in die Niederlande bis nach Übersee. Die Steuerbücher dieser Zeit geben einen Einblick in den Wohlstand der Familie. Für 600 Taler erwirbt der Kaufmann 1747 einen Bierhof auf der Reichenstraße. Zum Vergleich: Immanuel Kant bekommt in dieser Zeit als Professor in Königsberg 747 Taler im Jahr.
Das Benadsche Haus wird verkauft. Die Familie – inzwischen ist der alleinerziehende Witwer frisch verheiratet – bezieht ein neues Wohnhaus in der Reichenstraße. Ein Handelsschiff ziert die Fassade. Dazu erwirbt Johann Christoph Prentzel als der größte von drei Leinwandhändlern der Stadt Wiesen, ein Vorwerk in der Goschwitz mit einem Tuchmachermeister und einem Strumpfwirker. Zudem wird er Herr auf den Gütern von Lehn und Jauernick. 1751 wählt der Stadtrat ihn zum Kämmerer, 1767 zum Oberkämmerer und Inspektor des Waisenhauses. „Um Kämmerer im Ehrenamt zu werden, musste man Grundbesitz nachweisen und eine Kaution von 1 000 Talern hinterlegen“, sagt die Archivverbund-Leiterin.
Die Begegnung mit armen und elternlosen Kindern im Waisenhaus bewirkt vielleicht auch, dass Prentzel eine Freischule ins Leben ruft. 1 000 Taler überweist er der Stadt. Ein Haus gegenüber des Wendischen Tores wird für Schulzwecke umgestaltet. Heute befindet sich darin die Fleischerei Heinze. Am 29. September 1783 wird die Schule für 120 arme Kinder eröffnet. Zwei Lehrer unterrichten die Mädchen und Jungen kostenlos unter anderem im Buchstabieren, in der Geschichte des Vaterlandes, in Christentum und Erdbeschreibung.
3 000 Taler als Stiftung hinterlegt
Prentzel verpflichtet sich, für den Unterhalt des Hauses zu seinen Lebzeiten. 3 000 Taler hinterlegt er dafür. „Die Prentzelsche Stiftschule existierte bis 1872. Dann übernahm die Bürgerschule ihre Aufgaben“, sagt Grit Richter-Laugwitz. Darüber hinaus verfügt der Wohltäter in seinem Testament Stiftungen für Gymnasiasten, für das Waisen- und Zuchthaus und das Männerhospital.
Johann Christoph Prentzel stirbt am 6. Februar 1794 um 3 Uhr morgens mit 76 Jahren. Sein Grab ist bis heute unter wildem Efeu auf dem Taucherfriedhof zu finden. Vier Ehefrauen, fünf Kinder und drei Enkel hat er zu Lebzeiten verloren. Der Tod seiner letzten Gemahlin, Johanne Christiane Ferber nach 32 glücklichen Ehejahren schmerzt ihn sehr. Den Leinwandhandel führen ein Sohn und Schwiegersohn nach dem Tod des Vaters weiter. Doch mit der Kontinentalsperre von 1806 bricht das Geschäft zusammen. Napoleon hatte die Wirtschaftsblockade über die Britischen Inseln verhängt. Dazu überschwemmt günstige Baumwolle den Markt und löst den Flachs als Rohstoff ab.
Das Gewerbe wird abgemeldet, das Haus in der Reichenstraße verkauft. Das Königliche Postamt zieht dort ein. Trotzdem bestehen die Prentzelschen Stiftungen noch über viele Jahre fort. Fünf dicke Bände füllen allein die Namen der Stipendiaten. Mit der Inflation der 1920er Jahre gehen die Stiftungen jedoch bankrott, und auch der Bautzener Mäzen gerät mehr und mehr in Vergessenheit. Mit einem Vortrag zum 300. Geburtstag will Grit Richter-Laugwitz deshalb den bedeutenden Stifter zurück ins Gedächtnis der Stadt holen.
Vortrag zu Johann Christoph Prentzel am Dienstag, dem 10. April, um 19 Uhr, im Veranstaltungsraum des bautzener Archivverbunds, Schloßstraße 12