Von Peter Salzmann
Die Dicke und die Püppi sind meine Lieblingstiere“, erzählt Bernhard Drutschmann und schmunzelt. Der 56-jährige ist Schäfer und schwört, dass er einen Traumberuf hat: „Immer in der Natur, bei Wind und Wetter, sommers und winters mit den Tieren verbunden.“ Glückliche Fügung: Er, seine 54-jährige Ehefrau Karin – die Agraringenieurin und Beirätin des Sächsischen Schaf- und Ziegenzuchtverbandes Leipzig – und ihre Tochter, die 26-jährige Manja Schmiedchen, betreiben seit 1990 im idyllischen Reichstädt die „Schäferei und Spinnstube Drutschmann“. Das kleine Familienunternehmen hat längst einen Namen weit über den Kreis hinaus.
Bernhard Drutschmann erzählt mit sichtlichem Stolz: „Mit unseren 400 Schafen pflegen wir Bergwiesen mit ihrer einzigartigen Kulturlandschaft im oberen Erzgebirge. Die artgerechte Haltung und damit das Wohlbefinden der Tiere sind wichtige Voraussetzungen für die Qualität unserer Produkte. So mästen wir unsere Lämmer nicht im Stall, sondern lassen sie glücklich auf den artenreichen Bergwiesen unserer Region gedeihen.“ Seine Frau Karin ergänzt: „Wir halten drei Rassen: Merino-Landschafe, Suffolk und Skudden.“
Schäfer Bernhard Drutschmann, zünftig mit Filzhut und Hütetasche bekleidet, erklärt, dass jeder Knopf an der Weste eine Woche im Jahr versinnbildlicht. Die abgegriffene Ledertasche sei ein wichtiges Hüteutensil mit Platz für Viehzeichenstift, Binden, Stockschiene, Wetzstein und Klauenmesser, Desinfektionsmittel, Knebel, selbstverständlich auch Proviant. „Vor allem die Kinder, die während der Projekttage mit ihren Schulklassen zu den Koppeln auf den Bergwiesen wandern, interessieren sich für die Tasche“, berichtet der traditionsbewusste Schäfer und zeigt seinen Hirtenstab, sein Statussymbol und „meinen verlängerten Arm, denn die Tiere achten auf den Stab, wenn ich mit der Herde weiterziehe.“
Etwa 80 Stammkunden aus Meißen, Pirna, Sebnitz und Dresden zum Beispiel kommen alljährlich auf den Drutschmann-Hof, um „Lämmer als lebende Rasenmäher zu kaufen“. Genau das sei für die Landschaftspflege nötig, weiß die Agraringenieurin Karin.
Lernort und Kulturdomizil
2005 avancierte die Schäferei in Reichstädt zum Schaf- und Wollzentrum. Karin Drutschmann weiß, dass in der Region Sächsische Schweiz-Osterzgebirge im Jahr 30Tonnen Schafwolle produziert werden. Ziel des Zentrums sei es, den „Naturrohstoff einer gezielten Verarbeitung zuzuführen.“
Der „Lernort Bauernhof“ der Drutschmann-Familie bietet kulturelle Vielfalt: Spinnkurse, Kinderferienprogramme, Filzen mit der Nadel, Kreativabende, eine Papier- oder Blütenwerkstatt, Hof- und Spinnstubenfeste, Vorträge und Lesungen. Eine Seltenheit ist der Makramee-Kurs, eine Einführung in die altehrwürdige Knüpftechnik.
Der 1996 rustikal-geschmackvoll umgebaute Stall ist zu einem Kulturdomizil geworden. Vitrinen und Bilder, Trockengestecke, alte Landmöbel geben dem balkenreichen Raum das Gepräge. Der wuchtige Holzbrandofen „Bullerjan“ aus Kanada ist optischer Mittelpunkt und garantiert wohlige Wärme. Acht Spinnräder – das älteste hat 100Jahre auf dem Buckel und ist schlesischen Ursprungs – sind geschickt platziert. Über 50 Plätze stehen für Feiern zur Verfügung. Lehrreich und gemütlich-dörflich ist ein Besuch immer.