"Bei vielen Paaren lagen die Nerven blank"

Frau Nake, sind Gesellschaftskrisen gute Zeiten für Paartherapeuten?
Mit Sicherheit nicht. Ich musste über Wochen zahlreiche Termine absagen. Auf dem Höhepunkt der Krise durften nur die psychologisch dringendsten Therapiesitzungen durchgeführt werden – und auch die nur unter strengen Sicherheitsvorkehrungen.
Aber gab es denn nicht auch vermehrt Anfragen von Paaren?
Erst seit Beginn der Lockerungen ist die Zahl der Anfragen deutlich gestiegen. Einerseits, weil die Paare wohl die Krise abwarten wollten, andererseits aber sicher auch, weil in dieser Zeit neue Beziehungsprobleme aufgetaucht sind.
Mit welchen Sorgen kommen Paare normalerweise zu Ihnen?
In der Regel sind es Kommunikationsprobleme, die zu Streit und Eskalationen führen. Leider haben wir in der Schule nicht gelernt, wie man richtig kommuniziert. Natürlich spielen auch Seitensprünge und Affären eine Rolle, fehlende Sexualität und allgemeine Unzufriedenheit.
Kommen eher die Männer oder die Frauen?
Meist sind es die Männer, die sich an mich wenden und um Unterstützung bitten. Sie beklagen unter anderem, dass ihre Frauen ihnen nicht sagen würden, was sie wollen. Nach dem Motto: "Ich hol dir die Sterne vom Himmel. Du musst mir nur sagen, welchen." Und die Frauen antworten dann, dass die Männer das doch selbst sehen müssten.
Das klingt aber sehr nach Klischee.
Ist aber deswegen nicht weniger richtig.
Hat die Corona-Krise viele Paare an ihre Grenzen gebracht?
Ganz nah an ihre Grenzen und auch darüber hinaus.
Warum genau hat die Krise den Beziehungen so zugesetzt?
Die gleichzeitige Bewältigung von Home-Office und Home-Schooling war für viele Paare einfach kaum zu schaffen. Auch Kindergartenkinder wollten ständig zu Hause bespaßt werden. Durch die fehlende Kinderbetreuung waren manche meiner Klienten psychisch völlig am Ende. Und dies bekam dann oft der Partner zu spüren.
Was sind die größten Streitthemen seit Corona?
Massiv haben Ängste zugenommen und damit die Anspannung und der Stress in den Beziehungen. Während des Lockdowns lagen die Nerven oft blank und die Paare stritten sich oft schon über Kleinigkeiten. Auch der Umgang mit der Krise selbst spielte in vielen Fällen eine Rolle. Während der eine Partner echte Angst verspürte, sich anzustecken, redete der andere die Krise klein oder bestritt gar jede Gefahr.
Während des Lockdowns waren viele Dresdner quasi in ihren Wohnungen gefangen. Bedeutet viel Zeit gemeinsam automatisch auch viel Streitpotenzial?
Für mich hat sich gezeigt: Wenn es vorher kleinere Schwierigkeiten gab, dann sind die oft durch die zusätzlichen Belastungen verstärkt worden. Aber auch in gesunden Beziehungen führte die Corona-Zeit zu einer erheblichen Zusatzbelastung und es kam zu Konfrontationen.
Und dann flogen die Fetzen?
Interessanterweise beobachte ich, dass in einer unglücklichen Beziehung meist nur einer immer lauter wird und der andere immer leiser. Das heißt nicht, dass nicht auch mal ein heftiger Streit reinigend ist, aber auf lange Sicht entsteht dadurch ein Ungleichgewicht, dem etwas entgegengesetzt werden muss.
Haben die Ausgangsbeschränkungen Beziehungen von Menschen in der Stadt besonders belastet?
In gewisser Weise schon, da viele in der Stadt keinen Garten haben, in dem sie mal durchatmen konnten. Vielleicht nicht mal einen Balkon. Das hat die Lage natürlich noch einmal verschärft.